Atlantis Teil 1.


Atlantis

Die Enträtselung im 20. Jahrhundert

von Günter Bischoff

Noch immer fasziniert das Thema Atlantis viele historisch interessierte Menschen. Seitdem der griechische Philosoph Platon das versunkene Inselreich im 4. Jhd. v.Chr. in seinen Dialogen „Kritias“ und „Timaios“ erwähnte, haben sich viele bedeutende Forscher an der Lösung dieses großen Rätsels versucht [1]. Wollte uns Platon nur ein Fabelland vorstellen, oder hatte er tatsächlich Kunde erhalten von einer hochstehenden, lange vor seiner Zeit versunkenen Kultur? Lohnt es sich überhaupt noch zu suchen, wenn über zwei Jahrtausende an Nachforschungen keine eindeutigen archäologischen Beweise zutage brachten?

Schon manches Mal glaubte man, die Enträtselung sei gelungen, doch nach anfänglicher Euphorie wurden immer wieder ernst zu nehmende Einwände vorgebracht. Zu den bisher am häufigsten diskutierten Lokalisierungen zählen die Azoren, die Kanarischen Inseln, die alte südspanische Handelsstadt Tartessos, Kreta und die nahe gelegene Vulkaninsel Thera, die Sahara und neuerdings auch Troja. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte lassen aber bei diesen Hypothesen große Widersprüche zu Platons Überlieferung deutlich werden, und wichtige Passagen des Atlantisberichts finden keine Erklärung. Eine nunmehr über fünfzig Jahre alte, oft als Auffassung eines Außenseiters angesehene Theorie kommt nach dem heutigen Wissensstand der Wahrheit am nächsten. Sie stammt vom Pastor und Archäologen Jürgen Spanuth (1907-1998), der lange Zeit die kleine nordfriesische Landgemeinde Bordelum als Seelsorger betreute. Im Jahre 1953 veröffentlichte er seine Gedanken erstmals in dem Buch „Das enträtselte Atlantis“. Das löste den bisher heftigsten Meinungsstreit um dieses Problem aus, der bis heute noch nicht beendet ist. Doch eine ganze Reihe von Wissenschaftlern teilt inzwischen die Hauptansichten dieses Forschers [2]. In aller Kürze kann die Lösung des alten Rätsels so zusammengefasst werden:

Platon verarbeitete glaubwürdige Informationen ägyptischer Priester über die Heimat der Nord- und Seevölker in Südskandinavien und Mitteleuropa. Die meisten Einzelheiten beziehen sich dabei auf die ehemaligen Inseln in der Deutschen Bucht und die angrenzenden Küstengebiete. Ihre Zerstörung in einer besonders verheerenden Sturmflut am Ende der Bronzezeit ging als Untergang von Atlantis in die Geschichte ein.

Der Gedanke an ein Atlantis im Bereich der Nordsee mag zunächst befremden, doch bei Spanuths Deutungen stimmen Überlieferung und Realität am Besten überein. Auf seine Hauptargumente, aber auch auf wichtige Erkenntnisse anderer Wissenschaftler und auf besonders umstrittene Details der Atlantisforschung soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Missverstandene Zeitangaben

Platon ging es bei der Abfassung der erwähnten Dialoge nicht so sehr um Vorstellungen von einem idealen Staat. Vielmehr suchte er für eine historische Abhandlung zuverlässige Informationen über einen realen, starken Gegenspieler zu Ur-Athen, um die ehemals vorbildliche Staatsordnung seiner Heimatstadt gebührend würdigen zu können. Bei einer seiner Zusammenkünfte mit Kritias und anderen befreundeten Gelehrten kam das Gespräch auch auf das Gemeinwesen der Atlanter. Es schien Platon für seine Absichten brauchbar und überdies verbürgt zu sein, weil die Kunde darüber der allgemein verehrte Staatsmann Solon aus Ägypten mitgebracht haben soll.

Wie wir jetzt wissen, enthält die Schilderung der Verhältnisse auf Atlantis neben überaus wertvollen Informationen auch Irrtümer, Missverständnisse und mythologische Ausschmückungen. Nicht zuletzt trugen fehlerhafte Übersetzungen und umstrittene Deutungen der griechischen Quellen dazu bei, ein teilweise falsches Bild des versunkenen Inselreiches von Generation zu Generation weiter zu geben. Welche Erkenntnisse können nun heute als gesichert angesehen werden oder wenigstens als äußerst wahrscheinlich gelten?

Zweifellos kann der in den Dialogen „Kritias“ und „Timaios“ beschriebene Untergang von Atlantis nur am Ende der Bronzezeit, im 14. oder 13. Jhd. v.Chr., stattgefunden haben. Diese Feststellung ist von großer Bedeutung, weil Platon uns unwissentlich falsche Zeitangaben überlieferte. 9000 oder 8000 Jahre vor seiner Zeit [3], also während der Mittelsteinzeit, gab es nachweislich noch keinen ägyptischen Staat und keine Stadt Athen, die von den Atlantern hätten angegriffen werden können. Eben so wenig wäre für diese Zeitepoche die Verwendung von Streitwagen und Kriegsschiffen, die massenhafte Nutzung von Kupfer und Zinn, vereinzelt auch schon von Eisen, erklärbar. Diese Errungenschaften lassen sich aber ohne Schwierigkeiten mit unserem Geschichtsbild in Einklang bringen, wenn man von einer Überlieferung aus der späten Bronzezeit ausgeht. Zu dieser Erkenntnis gelangte bereits der schwedische Universalgelehrte Olof Rudbeck am Ende des 17. Jahrhunderts. Mit einiger Sicherheit fand er auch die Erklärung für die falschen Zeitangaben, indem er auf die Verwechslung der altorientalischen Zählung nach Monaten mit der später aufkommenden Zählung nach Jahren hinwies. Nach J.Spanuth bedeutet die ägyptische Hieroglyphe für „Jahr“ auch „Umlauf“. Damit war in alten Zeiten offenbar der siderische Mondumlauf gemeint. Rechnet man nämlich 9000 Monate zu 28 Tagen von Solons Ägyptenbesuch im Jahre 571 v.Chr. zurück, so gelangt man in die 2. Hälfte des 13. vorchristlichen Jahrhunderts, dem tatsächlichen Zeitpunkt der Geschehnisse [4]. Auch später gab es in ägyptischen Urkunden noch andere unrealistische Zeitangaben. So sollen beispielsweise seit dem Beginn der 1. Dynastie (um 3100 v.Chr.) bis zum Ende der 30. Dynastie (332 v.Chr.) 36.525 „Jahre“ vergangen sein.

Dass wirklich nur das Ende der Bronzezeit und nicht etwa die Mittelsteinzeit vor über 10.000 Jahren als Untergangszeitraum in Frage kommt, kann mit einem weiteren sicheren Indiz belegt werden. Im Dialog „Kritias“ kommen nicht nur die Zustände auf Atlantis, sondern auch die in Ur-Athen zur Sprache. Es wird unter anderem detailliert eine zyklopische Mauer beschrieben, die tatsächlich von Archäologen ausgegraben wurde und von diesen als Schutzwall gegen die im 13. Jhd. v.Chr. vordringenden Nord- und Seevölker angesehen wird [5]

Der Angriff der Nord- und Seevölker

Der Wiener Altphilologe W.Brandenstein und J.Spanuth folgten vor 1950 als erste Forscher der Spur, wonach Solon sein Wissen von ägyptischen Priestern aus der im westlichen Nildelta gelegenen Stadt Sais erhalten habe. Tatsächlich finden sich heute noch zugängliche Dokumente, in denen erstaunlich genau dieselben Ereignisse wie in Platons Atlantisbericht geschildert werden. Allen voran seien hier der Papyris Harris, der die Kriegstaten des Pharaos Ramses III. verherrlicht, und die Inschriften auf dem Tempel in Medinet Habu genannt. Darin ist neben vielen anderen Übereinstimmungen die Rede von Völkerschaften, die über Teile von Europa und Afrika herrschten und Ägypten schwer bedrängten. Sie seien „von den Inseln und Festländern am Weltmeer im fernsten Norden“, „von den Inseln im Ozean“ und „von den Enden der Erde“ gekommen. Ihr Land sei untergegangen, das „Haupt ihrer Städte vernichtet“ und „ihre Inseln vom Sturm ausgerissen und weggeweht“ [6]. Danach steht fest: Platon hat Atlantis nicht erfunden, sondern seinen Dialogen liegen historische Ereignisse zugrunde.

Die Völkerschaften, die zur Regierungszeit Ramses III. in die Mittelmeerwelt einbrachen, wurden in den ägyptischen Urkunden als „Nord- und Seevölker“ bezeichnet. Sie zogen im 13. und 12. Jhd. v.Chr. durch weite Teile Europas, unterwarfen die griechischen Stadtstaaten mit Ausnahme Ur-Athens und zerstörten das in Kleinasien gelegene Hethiterreich binnen weniger Wochen. Schließlich hatten sie die Absicht, zusammen mit den Libyern in Ägypten einzufallen. Im Jahre 1191 v.Chr. kam es im Nildelta zu einer Entscheidungsschlacht, die bis zu diesem Zeitpunkt die größte der Weltgeschichte gewesen sein dürfte. Die zeitgenössischen ägyptischen Quellen verschweigen die sonst mit Akribie angegebenen Zahlen über gefangene und getötete Feinde. Jedoch die für die Reichsverteidigung aufgebotenen 700.000 Krieger und 2000 Kriegsschiffe lassen das für damalige Zeiten ungeheure Ausmaß der Kämpfe ahnen. Der Angriff konnte unter Aufbietung aller Kräfte noch einmal zurückgeschlagen werden. Weitere Kämpfe mit den Nord- und Seevölkern in den darauf folgenden Jahrzehnten schwächten das Land aber derart, dass die Pharaonen einen wirtschaftlichen und politischen Niedergang nicht mehr verhindern konnten.

Einen plastischen Eindruck von der erbitterten Abwehrschlacht der Ägypter vermitteln die auf etwa 10.000 Quadratmeter Fläche eingemeißelten Reliefs an den Tempelwänden von Medinet Habu. Beispielsweise trägt ein Teil der Eroberer runde Bronzeschilde und als Kopfschmuck Hörnerhelme oder als Rosshaarbüschel gedeutete „Strahlenkronen“. Außerdem müssen jene Krieger tüchtige Seefahrer gewesen sein. Ihre wendigen Segelschiffe mit den hochgezogenen und mit Vogelköpfen verzierten Vorder- und Hintersteven ähneln sehr den zweitausend Jahre später die Weltmeere kreuzenden Wikingerschiffen. Gerade die abgebildeten Kampfszenen konnten nun neben archäologischen Fundstücken zu Rate gezogen werden, um Hinweise über die Herkunft der fremden Völkerschaften zu erhalten. Dass sich Platons Atlanter unter den in Ägypten eingefallenen Nord- und Seevölkern befanden, ist zweifellos die wichtigste Entdeckung der modernen Atlantisforschung.

Atl01_40Abb. 1:
Seeschlachtszenen zwischen Ägyptern (Schiffe mit Löwenköpfen) und den Nord- und Seevölkern (Schiffe mit Vogelköpfen; Krieger mit „Strahlenkronen“)

Es bedurfte jahrelanger Forschungsarbeit der Archäologen zur Beantwortung der Frage, um welche Völkerschaften es sich bei den Nord- und Seevölkern im Einzelnen handelte und woher sie kamen. Nach unseren heutigen Erkenntnissen stellen die Nord- und Seevölker eine Vereinigung von spätbronzezeitlichen Stämmen dar, die vor allem aus Mitteleuropa und den nördlicher gelegenen Gebieten kamen und durch Naturkatastrophen großen Ausmaßes zur „Großen Wanderung“ in neue Siedlungsgebiete gezwungen wurden [7]. Den militärisch stärksten Teil dieser Koalition bildeten die aus der Bibel bekannten Philister, die sich nach dem misslungenen Angriff auf Ägypten in Palästina ansiedelten und diesem Land seinen Namen gaben. Sie gehörten ebenfalls zu den so genannten frühen Urnenfelderleuten. Ihr Name wurde aus der Sitte abgeleitet, die Asche der verbrannten Toten in verzierten Tonurnen aufzubewahren und auf Feldern beizusetzen.

Die ägyptischen Quellen berichten von den Philistern, sie seien die „Übriggebliebenen von versunkenen Inseln“ gewesen, die im nördlichen Ozean gelegen hätten. Sie wurden auch als „Haunebu“ bezeichnet, aus deren Heimat der Bernstein gekommen sein soll [8]. Ein anderes Mal ist in diesem Zusammenhang von den „Neunbogenvölkern“ die Rede. Nach ägyptischer Vorstellung unterteilte man den damals bekannten Erdkreis von Süden nach Norden in zehn Bogen. Der neunte Bogen befand sich dort, wo „der längste Tag 17 Stunden dauert“, also das Gebiet um den 54. Breitengrad [9]. Es kamen deshalb bei der Suche nach Atlantis nur die an die Nord- und Ostsee angrenzenden Gebiete der frühen Urnenfelderleute in Frage.

Die Spur führt nach Helgoland

Tatsächlich konnten Geologen im 19. und zu Beginn des 20. Jhd. an der Nordseeküste den Untergang zahlreicher Marschen und die Zerstörung weiter Küstengebiete nachweisen. Am Ende der Bronzezeit, etwa um 1220 v.Chr., versanken in einer verheerenden Sturmflut ein großer Teil der Westküste von Schleswig-Holstein und Dänemark sowie viele vorgelagerte Inseln.

Atl023Abb. 2:
um 1220 v.Chr. versunkene Marschen und Inseln vor der Westküste von Schleswig-Holstein; (nach J.Spanuth, 1953)

Eine von ihnen war die Hauptbernsteininsel Althelgoland. Sie war um ein Vielfaches größer als heute und erstreckte sich östlich des Buntsandsteinfelsens in Richtung Eiderstedt. In ihr sah J.Spanuth die „Heilige Insel“ Basileia des Atlantisberichtes, und er hatte gute Argumente dafür. Platon charakterisierte Lage und Aussehen der „Königs- und Säuleninsel“, wie man Basileia übersetzen könnte [10], wie folgt :

  • sie lag an der Mündung großer Ströme,
  • von der Insel aus war eine Fahrt in das gegenüber liegende Meer möglich,
  • zuvorderst befand sich ein Felsen, der „wie mit dem Messer abgeschnitten“ aufragte,
  • auf der Insel gab es rote, weiße und schwarze Steine,
  • das Versinken der Insel hinterließ ein Schlamm-Meer, das es auch zu Platons Zeit noch gab.

Die natürlichen Gegebenheiten in der Helgoländer Bucht ausgangs der Bronzezeit lassen sich mit vielen Details des Atlantisberichts gut in Einklang bringen. Althelgoland lag an der Mündung von vier großen Strömen: der Weser, der Elbe, der Eider und ihrem heute nicht mehr existierenden Nebenfluss Hever. Alle Mündungsgebiete lagen vor der Überschwemmungskatastrophe südlich der Insel nahe beieinander. Eine fast durchgehende Verbindung „in das gegenüber liegende Meer“, nämlich die Ostsee, war über die damals viel größere Eider, die Treene, die Rheider Au bis zur Schlei möglich. Die kleine Lücke zwischen den beiden letztgenannten Flüssen dürfte durch Kanalbauten geschlossen worden sein [11]. Althelgoland besaß demnach eine hervorragende Lage als Handelszentrum für Waren aus dem Landesinneren und den Ostseeküstengebieten. Außerdem waren die Häfen der Insel günstige Umschlagplätze im Fernhandel mit den anderen Nordseeländern sowie den Mittelmeerländern.

Für Seefahrer, die sich von England her näherten, war der damals über 70 m hohe Buntsandsteinfelsen ein unverwechselbares Erkennungsmerkmal. Eine solche Insel, deren vorderster Teil „wie mit dem Messer abgeschnitten“ aufragt, gibt es im gesamten Nordseeraum kein zweites Mal. Auch die roten, weißen und schwarzen Steine sind in dieser Kombination nur an wenigen Stellen auf der Erde anzutreffen. “ …rot ist die Kant …“ wird in einem alten Helgoländer Spruch die auffällige Farbe des Buntsandsteinfelsens wiedergegeben. Die heute nicht mehr existierenden weißen Felsen bestanden aus Gips, Kreide und Muschelkalk. Die letzten Reste der ehemals sehr hohen „Wittenklyppe“ im Gebiet der heutigen „Düne“ fielen im Jahre 1711 einer Sturmflut zum Opfer. Ein blauschwarzer bis schwarzer Felsen steht heute noch in geringer Meerestiefe nördlich der Düne. Er erhielt seine Farbe durch eine Imprägnierung mit kohlensaurem Kupfer [12]. Diese drei farblich markanten und hoch aufragenden Felsen boten in der Bronzezeit gewiss ein prächtigen Anblick.

Nach dem Versinken von Althelgoland und anderer friesischer Inseln breitete sich an dieser Stelle ein seichtes Schlamm-Meer aus, das jede Schifffahrt behinderte. Die meisten Atlantisforscher ignorieren diese wichtige Aussage, weil sie keine Erklärung dafür finden [13]. In der Deutschen Bucht fällt hingegen das Wattenmeer sogleich ins Auge, das sich bis zur niederländischen Küste hinzieht. Dieser amphibische Saum zwischen festem Land und offenem Meer kann nur in den flachen Schelfmeeren der Festlandsockel entstehen. Starke Gezeitenkräfte bewirken die regelmäßige Ablagerung von Schlamm und Schlick sowie die Bildung von sporadischen Wasserabläufen, den Prielen. Platon erhielt sehr wahrscheinlich aktuelle Kunde von diesem Schlamm-Meer, weil der Forschungsreisende Pytheas von Massalia um 350 v.Chr. gerade von seinen Erkundungen zurück gekehrt war, die ihn bis nach Schottland, Thule und zu den Inseln in der Deutschen Bucht führten.

Der geheimnisvolle Oreichalkos

Eine weitere starke Stütze erhielt Spanuths Theorie durch die glaubwürdige Deutung eines sonderbaren Stoffes, den die „damals lebenden Menschen nächst dem Gold am meisten schätzten“, den Oreichalkos. Das feurig glänzende „Goldkupfererz“, so die wörtliche Übersetzung, sollen die Atlanter benutzt haben, um die Decke, die Säulen und Fußböden ihres Tempels zu belegen und Mauerkronen zu verzieren.

Die Wissenschaftler erhofften sich gerade von der Enträtselung dieses Stoffes einen wichtigen Hinweis zur Lage von Atlantis. Es fehlte nicht an den seltsamsten Vermutungen. Am meisten Verbreitung fand schließlich die Annahme, dass es sich wohl nur um Messing handeln könne. Jedoch Platons Überlieferung zufolge grub man den Oreichalkos an vielen Stellen aus der Erde, und Legierungen kommen bekanntlich in der freien Natur nicht vor. Wiederum kam Spanuth als Erstem der Gedanke, dass die Beschreibung nur auf den Bernstein zutreffen kann [14].

Dieses gelbe bis dunkelbraune fossile Harz wurde aber in der Bronzezeit nicht wie heute im Ostseegebiet, sondern hauptsächlich vor der Westküste Schleswig-Holsteins gewonnen. Der Handel mit dem begehrten nordischen Bernstein verhalf der einheimischen Bevölkerung zu ansehnlichem Reichtum. Das „Gold des Nordens“ gelangte auf Bernsteinstraßen, die in der Elbmündung ihren Anfang nahmen, über beschwerliche Alpenpässe hinweg bis in die Mittelmeerländer. Kostbare Grabbeigaben aus Bernstein wurden in fast ganz Europa und im Königsgrab des ägyptischen Pharaos Tutanchamum gefunden. Die Bevölkerung Jütlands entwickelte im Laufe der Jahrhunderte eine hohe Kunstfertigkeit in der Bearbeitung der Schmuckgegenstände. Man verstand es, das fossile Harz in Öl zu kochen und als „Bernsteinlack“ zum Maueranstrich zu verwenden. So ist der Hinweis verständlich, dass die Atlanter den Oreichalkos mit Öl auftrugen. Nach dem Untergang der bronzezeitlichen Marschen ging der Bernsteinhandel mit den Mittelmeerländern spürbar zurück. Deshalb war der Oreichalkos zu Platons Zeiten „nurmehr noch dem Namen nach bekannt“. Eine Frage blieb bisher jedoch ungeklärt. Warum verwendete der griechische Philosoph nicht die damals gebräuchlichere Bezeichnung „elektron“ für Bernstein? Zumindestens aber haben die Griechen den „Oreichalkos“ dem fossilen Harz nahe gestellt [15]. Trotz dieser geringfügigen Bedenken ist Spanuths Gleichsetzung des „Oreichalkos“ mit Bernstein bis heute die beste Deutung geblieben [16].

Um einen weiteren, in der Bronzezeit dringend benötigten Rohstoff, wurde ebenso heftig gestritten. Dem Atlantisbericht zufolge brachen die Bewohner gediegenes und schmelzbares Kupfer auf der Insel. Auch der Helgoländer Felsen birgt in den weißen, grünlichen und braunroten Schichten des Buntsandsteins sehr auffällig einige Kupfererze. Häufig fand man erbsengroße Stücke von gediegenem Kupfer. Die größten wiesen immerhin ein Gewicht von einigen hundert Gramm auf. Das Helgoländer Kupfererz hat auch ohne Beimischung von Zinn durch seinen hohen Arsengehalt eine große Härte und war somit für die Herstellung von Waffen besonders gut geeignet.

Um die Argumente seiner Gegner zu entkräften, unternahm J.Spanuth eigenhändig Schmelzversuche in speziell dafür hergestellten Öfen. Dabei gelang ihm eine frappierende Entdeckung. Die Untersuchung eines Schwertes der Nord- und Seevölker, das von den Ägyptern zur Zeit des Pharaos Sethos II. erbeutet worden war, lieferte den eindeutigen Beweis, dass das enthaltene Kupfer nur von der Lagerstätte auf Helgoland stammen konnte [17]. In den Folgejahren legten W.Lorenzen und der Geologe H.Schulz weitere Beweise für die Nutzung der Kupfervorkommen bereits in vorgeschichtlicher Zeit vor. Leider wird die Bedeutung dieser Kupferlagerstätte für die bronzezeitlichen Kulturen an der Nord- und Ostsee immer noch von der Wissenschaft unterschätzt [18].

Odysseus segelte bis zu den Phäaken

Lange Zeit wurde die Meinung vertreten, dass es außer Platons Atlantisbericht keine anderweitigen Überlieferungen vom versunkenen Inselreich gibt. Aber vor allem die beiden deutschen Wissenschaftler A.Schulten und R.Henning erschlossen nach 1930 eine weitere unabhängige Quelle. Beim Studium von Homers „Odyssee“, die eine Irrfahrt des Königs von Ithaka durch das Mittelmeer und atlantische Gewässer beschreibt, stießen sie überraschend auf eine große Ähnlichkeit zwischen der Phäakeninsel „Scheria“ und Platons „Basileia“. In einer Parallelübersicht beider Schilderungen konnten über dreißig wesentliche, zum Teil sogar wörtliche Übereinstimmungen gefunden werden [19]. Erwähnt werden beide Male die von breiten Wasserringen umgebene Königsburg, ein durch die Ebene führender Kanal, ein herrlicher Tempel des Poseidon im Mittelpunkt der Königsinsel u.v.a. Genau wie Basileia lag Scheria am „Ende der Welt“ im Ozean, und unmittelbar vor der Insel befand sich ein „steil ins Meer abfallendes Felsmassiv“.

Aber es gibt auch einige wesentliche Unterschiede. Das Phäakenreich wurde beispielsweise von 12 Königen regiert, das Atlanterreich nur von 10. Homer erwähnt mit keinem Wort den Untergang von „Scheria“. Das ist historisch korrekt, denn er lässt seinen Helden die fiktive Reise um 1300 v.Chr., zur Blütezeit des mykenischen Reiches, unternehmen. Weitestgehend einig sind sich die Wissenschaftler, dass der König von Ithaka diese Irrfahrt nicht wirklich unternahm, sondern der Dichter lediglich Seefahrerberichte und Fahrtenjournale aus der Bronzezeit verarbeitete.

Homer gibt auch Auskunft darüber, wie Odysseus zur Phäakeninsel Scheria gelangte. Die Nymphe Kalypso, die die abgelegene Insel Ogygia bewohnte und ihn sieben Jahre lang fest hielt, gab dem Helden eine Segelanweisung mit auf den Weg. Er befuhr auch nachts den Ozean,

„… ihm schloss kein Schlummer die wachsamen Augen.
Auf die Plejaden gewandt und auf Bootes, der spät erst untergeht,
und den ‚Bären‘, den andre auch ‚Wagen‘ benennen,
welcher im Kreis sich dreht, den Blick zum Orion gewendet,
und alleine niemals in Okeanos Bad sich hinabtaucht.
Denn beim Abschied befahl ihm die hehre Göttin Kalypso,
dass er auf seiner Fahrt den Nordstern zur Linken stets ließe.
Siebzehn Tage befuhr er die ungeheuren Gewässer,
am achtzehnten Tage tauchten von ferne die schattigen Hügel auf
vom phäakischen Land, denn dieses lag nun am nächsten,
anzusehn wie ein Schild im wolkenverhangenen Meere …“ [20].

Als gesuchter Ausgangspunkt der Seereise kam nur eine einsame, menschenleere Insel außerhalb der Straße von Gibraltar in Frage. Dabei wurden auch Madeira und die Kanaren in Betracht gezogen, aber die meisten Argumente sprechen für die Azoreninsel St. Miguel. Diese Insel wurde noch im 18.Jhd. mit „umbelicus maris“ („Nabel des Meeres“) bezeichnet, also genau so wie Ogygia in der „Odyssee“.

Der Segelkurs lässt sich dank Homers Angaben wissenschaftlich auswerten. Aus der Orientierung nach dem Sternbild „Großer Wagen“ und den gemittelten Aufgangsorten von Bootes und Plejaden zu unterschiedlichen Nachtzeiten leitete Prof. K.Bartholomäus, ehemals Dozent für Archäogeodäsie in Essen, einen NO-Kurs mit einem Azimut von 54° (gegen Norden) ab [21]. Wenn die bronzezeitlichen Seefahrer diesen Kurs von St. Miguel aus einschlugen und täglich eine damals übliche Strecke von 100 Seemeilen zurück legten, so mussten sie schließlich durch den Kanal bei Dover bis in die Deutsche Bucht vorstoßen. In 17 Tagen war die Distanz von reichlich 3100 km gut zu bewältigen. Die Beschreibung des Anblickes der Phäakeninsel „…wie ein Schild im wolkenverhangenen Meer“ trifft genau auf Althelgoland zu, denn von weiter Ferne erhob sich in der Mitte das „steil ins Meer abfallende Felsmassiv“ wie ein Schildbuckel, und beiderseits erstreckte sich dahinter die flache, nur von Dünen und Hügeln unterbrochene Landschaft der Hauptinsel.

Auch der Name „Scheria“ selbst deutet auf eine Lage in der Nähe der kimbrischen Halbinsel hin. Die Namensähnlichkeit mit den „Schären“, den felsigen Inseln bei Schweden, ist nicht zu übersehen. Eigentlich bedeutet „Schären“ die „Geschorenen“ oder die „Kahlen“, und das ist eine überaus treffende Bezeichnung des fast glatten, steil abfallenden Buntsandsteinfelsens von Helgoland [22].

Manchmal werden auch andere Lokalisierungen für Ogygia und Scheria vorgeschlagen. Aber die von R.Henning und K.Bartholomäus ermittelte Lage der Phäakeninsel Scheria berücksichtigt am besten alle astronomischen, nautischen und geographischen Aspekte, die aus Homers „Odyssee“ ableitbar sind [23]. Damit spricht ein weiteres Argument dafür, das Zentrum von Atlantis in der Nordsee zu suchen.

Schließlich sei noch auf die griechischen Sagen über die Hyperboreer verwiesen, einem sorglos lebenden Volk im fernen Norden. Die Hyperboreerinsel „Helixoia“, die manchmal auch „Elektris“ genannt wird, soll in der Mündung des antiken Bernsteinflusses Eridanos gelegen haben. Bei diesem legendären Fluss handelt es sich um die heute noch Bernstein anschwemmende Eider, möglicherweise aber auch um die Elbe.

Auf Helixoia soll es der Sage nach einen großen Teich mit vielen Schwänen gegeben haben. Jedes Jahr zur Frühlingszeit umschwärmten diese Vögel die Insel. Auf eine enge Verbindung und besondere Freundschaft der Inselbewohner mit den Griechen weist der Mythos vom hyperboreischen Apoll hin. Alljährlich einmal besuchte er in einem von Schwänen gezogenen Wagen seine Heimat im Norden und kehrte anschließend im Frühling nach Delphi und Delos zurück [24].

Basileia, Scheria und Helixoia sind demnach nur unterschiedliche Namen für dieselbe Insel, die in der Bronzezeit über ihren Kulturkreis hinaus eine große Bedeutung erlangt hatte.

Expeditionen zum Steingrund

In den vergangenen Jahrzehnten haben zahlreiche archäologische Funde auf der Felseninsel und in der Helgoländer Bucht die Nordsee-Theorie untermauert, auch wenn bestimmte Einzelheiten noch nicht restlos geklärt sind. Althelgoland muss, seiner damaligen Bedeutung angemessen, vor 1220 v.Chr. eine stattliche Bevölkerung gehabt haben. Am Ende des 19. Jahrhunderts untersuchte man mehrere Steinkisten- und Hügelgräber auf dem Oberland. In ihnen fand man neben den Skeletten von Männern einen kleinen Bronzedolch, zwei goldene Spiralscheiben, eine weitere Bronzewaffe, goldene Ringe, eine Bronzenadel von fast 18 cm Länge und einige Doppelknöpfe.

Erste Tauchgänge wurden 1911 unternommen, als das Kriegsschiff „Zähringer“ auf dem so genannten „Steingrund“, einer untermeerischen Erhebung östlich von Helgoland, auflief. Marinetaucher sollen damals Reste „der alten Burg Basileia“ entdeckt haben, des Weiteren einen alten „Tempel“ mit einer aufgesetzten Steinmauer, Waffen und Scherben gesichtet haben. Im Frühjahr 1943, also mitten im Krieg, fand dort im Beisein von P.Wiepert, dem späteren Ehrenbürger der Universität Kiel, ein weiterer Tauchversuch statt. Hierbei sollen eine Anzahl Steine, von Menschenhand aufgesetzte Steinplatten und eine Art Steingewölbe entdeckt worden sein. Leider sind die Aufzeichnungen in den Kriegswirren verloren gegangen, so dass Wieperts Erinnerungen aus dem Jahre 1956 für Skeptiker keine Beweiskraft haben dürften [25].

Spanuth selbst rüstete in den Jahren 1950, 1952 und 1953 drei von insgesamt fünf Expeditionen aus, um nach Siedlungsspuren auf dem „Steingrund“ zu suchen. Die Erwartungen waren nicht allzu hoch und die Sichtbedingungen äußerst schlecht. Doch die Taucher, unter ihnen H.Beelte und E.Fries, entdeckten 10 km östlich von Helgoland einen Hügel, der stellenweise von einem doppelten, etwa 3 m hohen Steinwall umgeben war. Offenbar waren sie auf den im Atlantisbericht erwähnten Burghügel gestoßen, der über 50 Stadien (10 km) landeinwärts gelegen haben soll. Die Taucher bargen Türangelsteine, bearbeitete Feuersteinplatten und Reste von Bronzeguss. Bei einem weiteren Tauchgang wurde ein gefugter Fliesenbelag auf dem Meeresgrund gesichtet, und eine mit Kopfsteinen gepflasterte Straße konnte über 50 Meter weit verfolgt werden [26].

Völlig unabhängig von Spanuths Tauchplänen soll 1951 das deutsche Forschungsschiff „Meta“ ausgelaufen sein, das den Auftrag hatte, den Meeresboden in der Nähe von Helgoland zu inspizieren. Die Tageszeitungen meldeten daraufhin Funde von unschätzbarem Wert. In 30 m Wassertiefe wurden angeblich in einer Schlickbank zwei Hünengräber aufgespürt, außerdem Wohnbaureste, Grabbeigaben, Handwerkszeug und andere Gebrauchsgegenstände aus dem 3. und 2. vorchristlichen Jahrtausend [27]. Diese Meldungen müssen allerdings mit Vorsicht betrachtet werden, weil bis heute keine diesbezüglichen Fundgegenstände in einem Institut oder Museum registriert worden sind.

Einige Jahre darauf startete mehrmals ein Forschungsschiff einer archäologischen Gesellschaft unter Leitung von C.Röper. Dabei wurden bronzezeitliche Siedlungen im Gebiet der versunkenen Marschen nachgewiesen. Auch später rissen die Funde nicht ab. Man förderte im Jahre 1971 verschieden durchbohrte Kupferscheiben von einem Viertelmeter Durchmesser und beträchtlichem Gewicht zutage. Neun Jahre später untersuchte eine Tauchergruppe des Geologischen Instituts in Kiel das Meeresgebiet. Dabei fanden sie 2 km südlich der Helgoländer Düne in 6 bis 8 m Wassertiefe einen „Massenfundplatz an Kupferbarren“ aus dem dortigen Kupfererz mit einem Gesamtgewicht von 90 kg. Um eine verloren gegangene Schiffsladung konnte es sich nicht handeln, weil auch verschieden große Stücke aus Guss-Schlacke gefunden wurden [28].

Nach den bisherigen Forschungsergebnissen steht zumindestens fest, dass es bis zu ihrem Untergang um 1220 v.Chr. eine oder mehrere bewohnte Inseln zwischen Helgoland und Eiderstedt gab. Bisher fehlt leider noch der entscheidende archäologische Beweis, der auch die Skeptiker überzeugen könnte: hier lag vor 3300 Jahren die bedeutende Atlanterinsel Basileia. Sensationsfunde sind wegen der schlechten Bedingungen in der Nordsee auch in Zukunft nicht zu erwarten. Vielleicht sind trotzdem eines Tages bei Einsatz modernster Technik weitere Entdeckungen möglich.

Die Nordische Bronzekultur

Platon gab drei sehr unterschiedlichen Regionen dieselbe Bezeichnung „Atlantis“. Das trug in der Vergangenheit sehr zur Verwirrung der Forscher bei. Einmal meinte er damit nur die „Heilige Insel“ Basileia, die tatsächlich versank, ein anderes Mal ein sehr viel größeres Gebiet auf dem Festland und auf weiteren Inseln, und schließlich eine Gemeinschaft von Ländern, die von zehn Königen regiert wurden. Auf das „Reich des Atlas“, nach Platon das bedeutendste aller zehn Königreiche, soll nun etwas näher eingegangen werden.

Etwa um 2400 v.Chr. vereinigten sich im Gebiet von Nord- und Ostsee die alteingesessenen Erbauer der Megalithgräber mit den kriegerischen Streitaxtleuten, die vorher als Reiter- und Hirtenvölker die südosteuropäischen Ebenen bewohnten. Es begann ein relativ kurzer, intensiver Verschmelzungsprozess beider Kulturen. Als Ergebnis entstand die „Nordische Bronzekultur“, die häufig auch als „Nordischer Kreis“ bezeichnet wird. Nach einer Jahrhunderte währenden ungestörten Entwicklung erreichten diese Völkerschaften ab dem 15. Jhd. v.Chr. eine erstaunliche Blüte und zeigten sich in einigen Lebensbereichen durchaus den bekannten Hochkulturen des Mittelmeerraumes ebenbürtig. Manche Historiker sehen die Träger dieser Kultur als die bronzezeitlichen Vorfahren der Germanen an.

Das Siedlungsgebiet der Bronzeleute wurde in west-östlicher Richtung von den Flüssen Weser und Oder eingegrenzt. Es reichte von Mecklenburg-Vorpommern und Teilen Niedersachsens bis zu den großen Seen westlich von Stockholm einschließlich eines schmalen Küstenstreifens in Südnorwegen. Die im Atlantisbericht erwähnte große Ebene mit einer Ausdehnung von 2000 mal 3000 Stadien (etwa 370 mal 560 km) liegt zwar nicht auf einer Insel, aber die eng mit dem Meer verbundene Landschaft wird treffend charakterisiert. In Norddeutschland, Dänemark und Südschweden breitet sich bekanntlich eine nur von niedrigen Erhebungen unterbrochene Tiefebene aus, und in der wegen ihrer Schönheit gepriesenen Bergwelt erblickt man die über 2000 m hohen schneebedeckten Gipfel der norwegischen Fjordlandschaft. Bedenkt man ferner die relativ raschen Veränderungen beiderseits der jütischen Halbinsel in jüngster geologischer Vergangenheit, dann wird die Beschreibung der großen Ebene noch besser verständlich. Erst nach 7000 v.Chr. kam es in der südlichen Nordsee zu großen Landverlusten. Noch lange waren die Doggerbank und die Jütlandbank festes Land, ehe das offene Meer um 2000 v.Chr. Althelgoland und die nördlich davon gelegenen Inseln erreichte. Die Abmessungen der großen Ebene treffen demnach eher auf die geografischen Gegebenheiten während der mittleren Jungsteinzeit zu (s.a. dazu Abschnitt „Die große Ebene„).

Die Menschen lebten anfangs noch in urgemeinschaftlichen Verhältnissen, die sich aber immer mehr auflösten. Bei den freien Bauern waren Standesunterschiede noch wenig ausgeprägt. Dagegen nahmen im 14. und 13. Jhd. v.Chr. Einfluss, Macht und Reichtum der Stammesfürsten stark zu. Ackerbau und Viehzucht, die in einigen Gebieten durch das überaus fruchtbare Marschenland begünstigt waren, bildeten eine solide Lebensgrundlage. Die Bevölkerung lebte aufgrund ihrer bäuerlichen Produktionsweise fast ausschließlich in kleinen Dörfern. Vereinzelt errichtete man jedoch schon ab der Jungsteinzeit größere, von Ringwällen umgebene Ansiedlungen, die regionale Zentren gewesen sein dürften. Eine derartige stark befestigte Anlage von 8 Hektar Ausdehnung wurde beispielsweise im Jahre 1971 bei Rendsburg in einer Flussschlinge der Eider ausgegraben [30]. Die große bronzezeitliche Siedlung auf Althelgoland kann durchaus schon als Stadt angesehen werden, auch wenn sie ganz sicher nicht mit anderen mächtigen Städten ihrer Zeit wie Ur-Athen oder Troja konkurrieren konnte. Platons Beschreibung des urbanen Zentrums mit seinen kultischen Einrichtungen, verschiedenartigen Gebäuden, Schiffswerften, mehreren Häfen und sportlichen Wettkampfstätten lässt eine wohlhabende Kult- und Handelsmetropole der Bronzezeit erkennen. Eine ähnlich herausragende Bedeutung in ihrer Region erlangten über 2000 Jahre später die große friesische Siedlung Haithabu und die reiche mittelalterliche Handelsstadt Vineta.

Nicht nur die in den bronzezeitlichen Gräbern entdeckten Schmucksachen und Gebrauchsgegenstände lassen wichtige Rückschlüsse auf die Lebensweise der Menschen zu. Umfangreiche Kenntnisse über die schlichte und dennoch ausgesprochen modische wollene Kleidung, über Schuhwerk und Haartrachten der Bronzeleute verdanken die Archäologen den aufgefundenen Moorleichen. Sie wurden über Jahrtausende hinweg infolge des luftdichten Abschlusses besser konserviert als vergleichsweise die ägyptischen Mumien. Einen vorzüglich gewebten blauen Mantel, den ein bedeutender Würdenträger viel später, etwa im 3. Jhd. n.Chr. trug, fand man im Thorsberger Moor in Schleswig-Holstein. Hier ist die lange Tradition ersichtlich, denn auch im Atlantisbericht wird ein dunkelblauer Königsmantel „von wunderbarer Schönheit“ erwähnt, den jeder der zehn Könige zum Höhepunkt des Festes auf Basileia trug [31].

Viele Kulthandlungen waren der Wärme spendenden Sonne geweiht. Unübersehbar ist die Zahl der Felszeichnungen mit Sonnensymbolen, dargestellt als Kreise und Räder zusammen mit den verschiedensten Arten von Kreuzen. Anfangs verehrte man das vorrangig als Reittier genutzte Pferd, das außerdem nach mythischen Vorstellungen die Sonnenscheibe über den Taghimmel zog. Später kam die kultische Verehrung von Vögeln, insbesondere des in Nordeuropa beheimateten Singschwanes, auf. Einige Kulte der Bronzeleute werden auch im Atlantisbericht beschrieben. Dazu gehören die aus der Frühzeit der Menschheit überkommene Wertschätzung von Zwillingen, der Feuerkult und Opferhandlungen mit heiligen Kesseln.

Eine der Ursachen für das „Goldene Zeitalter“ war das Klimaoptimum im 2. Jtsd. v.Chr. In keiner anderen Epoche der letzten 15.000 Jahre war die Durchschnittstemperatur so hoch wie damals. Archäologen sprechen von der „lichtdurchflossenen, wärmeliebenden Bronzezeit“, und so verwundert es nicht, dass in Südschweden Wein angebaut wurde [32]. Trotz der viel milderen Temperaturen im nördlichen Mitteleuropa gab es ganz sicher keine Elefanten. Es ist das einzige Detail in Platons Überlieferung, für das die bedeutendsten Theorien eine Erklärung schuldig bleiben. Zumindestens erscheint eine Verwechselung dieser Tiere mit Hirschen oder Auerochsen in diesem Teil Europas recht glaubhaft [33].

Gold, Silber und Bronze

Die Atlanter sollen das Hauptheiligtum auf ihrer „Königs- und Säuleninsel“ Basileia überaus reichlich mit Gold, Silber, Zinn und Bernstein ausgestattet haben. Im Tempel des Poseidon prangten überdies viele goldene Standbilder. Das alles mag eine bei alten Legenden häufig vorkommende Übertreibung sein. Doch ist daraus ersichtlich, welche große Rolle diese seit jeher wertvollen Metalle im Leben der Atlanter spielten.

Den Bronzeleuten kann es nach heutigen Erkenntnissen keineswegs daran gemangelt haben. Die Archäologen bargen allein in den wieder entdeckten Gräbern in Dänemark kunstvolle goldene Schmucksachen mit einem Gesamtgewicht von mehr als drei Tonnen. Der Reichtum wird als so bedeutsam eingeschätzt, dass er sich nicht allein auf Stammesfürsten beschränkte, sondern dass auch Bauern und Handwerker zu beachtlicher Wohlhabenheit gelangen konnten. Auch in Norddeutschland fehlt es nicht an Funden aus dieser Zeit. Beispielsweise kam 1987 bei Feldarbeiten in einem Dorf bei Greifswald eine reich verzierte, 147 Gramm schwere Goldmanschette zum Vorschein. Und im Jahre 2011 gelang bei der Verlegung der Nordeuropäischen Erdgasleitung mit dem „Goldhort von Gessel“ sogar ein Jahrhundertfund. Die 117 Teile aus Gold mit einem Gesamtgewicht von fast zwei Kilogramm hatten die Bronzeleute im 14. Jh. v. Chr. nahe der heutigen Stadt Syke niedergelegt [105]. Das begehrte Edelmetall wurde wahrscheinlich auf dem Seewege aus Irland herbei geschafft, vielleicht auch in Thüringen aus Goldwäschereien gewonnen. Man tauschte es gegen Bernstein ein, der in der Bronzezeit fast den Rang einer europäischen Währung hatte.

Weniger beliebt war bei den Bronzeleuten offenbar das Silber. In reiner Form ist es äußerst selten verarbeitet worden, hingegen fand es häufiger als Beimischung in anderen Legierungen Verwendung. Ein für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ungleich höher zu bewertendes Metall ist die Bronze, eine aus Kupfer und Zinn bestehende Legierung. Die Bergleute bargen das weiche, weiße Zinn in dem nicht weit entfernten südenglischen Cornwall. Hier lagen die Kassiteriden, die Zinninseln der Antike. Andererseits sind auch Handelsbeziehungen in das Erzgebirge nicht auszuschließen, denn auch dort wurde dieses Metall gewonnen.

Die meisten Archäologen vertreten auch heute noch die Meinung, dass man bei Kupfer ausschließlich auf teure Importe aus Mitteleuropa angewiesen war. Die umfangreichen Untersuchungen von J.Spanuth und W.Lorenzen belegen allerdings, dass die Bronzeleute die Helgoländer Kupfererzvorkommen tatsächlich ausgebeutet haben [34]. Der Abbau erfolgte im 2. Jtsd. v.Chr. unter günstigen Bedingungen an der westlichen Oberkante des damals noch größeren Buntsandsteinfelsens. Neben Bernstein war dieses Erz die Quelle des enormen Reichtums vor allem auf Althelgoland.

Anfangs knüpfte man wahrscheinlich bei der Herstellung von Bronzegegenständen noch an Vorbilder benachbarter Kulturen an. Schon bald fanden geschickte Handwerker ihre eigenen Formen bei Griffzungenschwertern und Rasiermessern, bei Gürtelschnallen, Wendelringen und Fibeln, die die Kleidung zusammen hielten. Ein beliebtes Verzierungsmotiv war die in sich zurück laufende Spirale, die das ewige Rollen der Meereswellen symbolisieren sollte. Besonders typisch für den Nordischen Kreis sind die oft reich verzierten Griffzungenschwerter und -dolche. Ihr Fundgebiet umreißt sehr gut das Siedlungsgebiet dieser Menschen und auch ihre späteren Wanderwege in den Süden. Den Höhepunkt der Metallverarbeitung in dieser Zeit stellen die aus Bronze gegossenen Luren dar, die immer paarweise zu Festen geblasen wurden. Experimentalarchäologen haben heutzutage Mühe, diese Musikinstrumente so meisterhaft wie damals herzustellen. Einer der bedeutendsten Funde aus jener Zeit ist der so genannte Sonnenwagen von Trundholm, der 1902 beim Pflügen auf der Insel Seeland zum Vorschein kam. Bei dieser 60 cm langen und 36 cm hohen bronzenen Statuette zieht ein etwas steifbeiniges Pferd eine vergoldete, mit Spiralmotiv verzierte Sonnenscheibe hinter sich her.

Atl03-6Abb. 3:
Der Sonnenwagen von Trundholm (um 1500 v.Chr.)

Das Metallzeitalter veränderte grundlegend die Beziehungen der Völkerschaften untereinander. Es entwickelte sich ein reger Handel, weil dringend benötigte Rohstoffe nur in weit entfernten Regionen zu beschaffen waren. Teils nutzte man die Händlerwege entlang der europäischen Flüsse, teils machten sich Schiffe auf den langen Weg durch die Straße von Gibraltar. Mitte der 1990er Jahre bargen Unterwasserarchäologen vor der südtürkischen Küste bei Kas die Reste eines Handelsschiffes aus der Bronzezeit. Die auf dem Meeresgrund verstreute Ladung des um 1318 v.Chr. versunkenen Seglers war eine Sensation: neben prunkvollen Gold- und Silberschmuck, riesigen Vorratsgefäßen, Harz, Waffen, Tongeschirr und vielfarbigen Glasbarren fand man Tonnen von Zinn, Kupfer und Bernstein [35]. Vermutlich hatten diese Seefahrer auch in den Häfen von Cornwall und Althelgoland angelegt, um diese wertvollen Rohstoffe gegen andere Güter einzutauschen.

Hochkulturen ohne Schrift?

Fast einhellig sind die Archäologen von der Schriftlosigkeit aller nördlich der Alpen lebenden Völkerschaften in der Bronzezeit überzeugt. Entgegen dieser Ansicht gibt es jedoch einige frühgeschichtliche Hinweise auf die Verwendung einer Schrift in dieser Region. So berichtet Euhemeros von Messene in seiner „Heiligen Aufzeichnung“, dass im nördlichen Ozean auf einer Insel ein altes Heiligtum stand, in dem goldene Tafeln aufbewahrt würden, auf denen die Geschichte der dortigen Könige in uralter Zeit aufgezeichnet sei. Eine ähnliche Aussage ist im Atlantisbericht zu finden : „… die Herrschaft und Gemeinschaft unter ihnen wurde aufrecht erhalten nach den Anordnungen des Poseidon, wie sie ihnen das Gesetz und die Inschriften überlieferten, die von den Urvätern auf einer Säule aus Oreichalkos eingegraben waren; sie stand in der Mitte der Insel im Heiligtum des Poseidon“ [36].

Das galt schon immer als eindeutiger Hinweis auf eine Schrift. Dafür jedoch gab es bis in die 1970er Jahre hinein keine Anhaltspunkte in Nordwesteuropa, und man zweifelte deswegen schon die Nordsee-Theorie an. Um das Jahr 1982 gelang allerdings eine sensationelle Entdeckung. Prof. Barry Fell, der ehemals an der Havard-Universtität in Cambridge (USA) lehrte, spürte in der südschwedischen Provinz Bohuslän auf Felsritzungen Punkt- und Strichfolgen auf, die er als Buchstaben einer Alphabetschrift deutete. Die Entzifferung gelang ihm deshalb ohne größere Schwierigkeiten, weil die Zeichen denjenigen sehr ähnlich sind, die die Tuareg in Libyen heute noch für ihre Schrift benutzen.

Da ihm die Lautwerte der Buchstaben bekannt waren, konnte er auf den Felsbildern einzelne sinnvolle Worte erkennen. Die Entzifferung lässt allerdings einen gewissen Interpretationsspielraum zu, weil die Leserichtung oft nicht eindeutig ist und es nur einen Universalvokal gab, der meistens auch noch weggelassen wurde. Beispielsweise waren neben der Felszeichnung von drei Vogelmenschen die Buchstaben „SWaN“ (Schwan) zu erkennen, ein anderes Mal „B-L“ und „GH-W“ neben einer Darstellung eines Bullen und einer Kuh. Neben Ritzungen von mehreren verschiedenartigen Schiffen konnten die Buchstaben „M K-GH A-GH GH-L L W-K S-A-M-S-L“ für eine vermutliche Gebetsinschrift zusammengefasst werden. Das lautet altnorwegisch „ma kugge aga gul ol vik samsla“ oder deutsch etwa „Möge eine sanfte Brise unsere Koggen laufen lassen und wir alle den Hafen zusammen erreichen“ [37]. Bei dieser Sprache handelt es sich offenbar um einen urgermanischen oder altnordischen Dialekt, bevor sich später daraus die englische, norwegische und deutsche Sprache entwickelten.

Noch sehr verbreitet ist die Annahme, die Schrift der Tuareg sei eine späte, vereinfachte Form der phönizischen. Aber die Buchstaben des so genannten Tifinagh-Alphabets leiten sich nur dann sinnvoll aus den Anfangsbuchstaben wichtiger Begriffe ab, wenn der altnordische Dialekt und nicht die Berbersprache zugrunde gelegt wird. So verwendeten die bronzezeitlichen Schreiber das Zeichen „Ring“ für den Buchstaben „R“, das Zeichen „Tür“ (engl. „dorway“) für „D“, das Zeichen „Gewichte“ (engl. „weights“) für „W“, das Zeichen „(Schild-) Buckel“ (engl. „buckler“) für „B“ usw. [38]. Bemerkenswert ist ferner die Herleitung einiger Buchstaben von den Himmelsobjekten Mond („M“), Sonne („S“), den 4 Kastensternen des Sternbildes Pegasus („H“ = Hestemerki; d.h. „Pferdemarken“) und der auffälligen Konstellation des Himmels-W („Y“ aus Yorsa = Cassiopeia).

Atl04_5Abb. 4:
Formen der Buchstaben des Tifinagh-Alphabets

Der Biologielehrer W.P.A.Fischer glaubt einen Anhaltspunkt für das Alter dieser Alphabetschrift gefunden zu haben. Für ihn stellen die drei gleichseitig angeordneten Punkte des Buchstabens „K“ für „Kopf“ ein Symbol für den Himmelsnordpol dar. Ihm steht heute der Polarstern im „Kleinen Wagen“ nahe. Vor etwa 4000 Jahren befand sich aber kein markanter Stern an dieser Stelle. Stattdessen wurde um 1800 v.Chr. der Himmelspol von Kochab, Thuban und einem weiteren Stern im Sternbild Drachen eingerahmt. In dieser Zeit oder nur wenig davor haben vermutlich die Bronzeleute diese Schrift erfunden [39].

Im Unterschied zur babylonischen Keilschrift und zu den ägyptischen Hieroglyphen wurden die Bronzezeit-Runen wahrscheinlich nicht für Verwaltungsaufgaben verwendet. Lediglich Priesterastronomen und hohe Würdenträger dürften diese Alphabetschrift beherrscht haben. Sie wurde nach derzeitigem Erkenntnisstand nur in heiligen Bezirken angewandt und auf Felsen oder bedeutenden Bauwerken eingeritzt. Den Weg zu den Berberstämmen fand die Schrift, weil sich Bronzeleute schon einige Jahrhunderte vor der Großen Wanderung in Nordafrika niederließen.

Wikinger der Bronzezeit

Eine einheitliche, hochstehende Kultur, die sich über viele Inseln und Küstengebiete ausbreitete, ist ohne eine gut entwickelte Schifffahrt nicht vorstellbar. Noch heute stellt es besondere Anforderungen an die Lotsen, innerhalb der gefürchteten Schären zwischen Jütland und Südschweden zu manövrieren. Die Bronzeleute müssen auf dem Meer in ihrem Element gewesen sein. Davon zeugt eine Vielzahl an Felszeichnungen in der südwestschwedischen Küstenlandschaft Bohuslän. Auf ihnen sind Tausende stilisierte, mit hohen Vorder- und Hintersteven versehene Schiffe und sogar ganze Schiffsarmadas dargestellt. Auf einigen Ritzungen sind kultische Handlungen auf dem Schiffsdeck zu erkennen [40].

Die schlanken, bis über 10 m langen Holzschiffe konnten ein bis zwei Dutzend Ruderer tragen und besaßen einen umlegbaren Mast. Im deutlichen Unterschied zu den Schiffstypen im Mittelmeergebiet waren die Steven mit Enten- und Schwanenköpfen, mitunter auch mit drachenähnlichen Köpfen verziert. Eine äußerst sinnreiche Erfindung für die Fahrt in Küstengewässern war ein doppelter Steven, der das Boot bei Unterwasserklippen federnd abfangen und vor Beschädigung schützen sollte.

Die Bronzeleute wagten sich ebenso auf die hohe See hinaus. Bei ihren einträglichen Handelsunternehmungen nach Britannien und Irland segelten sie wegen der starken Gezeiten in sicherer Entfernung zur Küste. Wahrscheinlich gelangten wagemutige Expeditionen bis nach Nordafrika, denn auf einigen schwedischen Felszeichnungen sind mit einiger Sicherheit exotische Tiere wie Giraffen, Strauße und Elefanten erkennbar [41]. Bereits A.Köster, ein hervorragender Kenner der antiken Seefahrt, zählte 1923 die Bronzeleute zu den „erfahrensten Seeleuten ihrer Zeit“.

Diese Einschätzung wird erneut bestätigt durch weitere Entdeckungen von Prof. B.Fell in den 1980er Jahren. Er stieß nämlich in der Nähe von Peterborough in Kanada auf jene Schriftzeichen, die er zuvor in Südschweden auf Felszeichnungen vorgefunden hatte. Eine der Einritzungen wies ihm neben der Gleichartigkeit der Schrift deutlich auf die Herkunft der kühnen Seefahrer hin: „Woden-lithi stor konungr hringriki kweid runa gneidi“. Diesen altnordischen Text deutete B.Fell als „Wotan-Lithi, der große König aus dem Ringreich, befahl, dass Runen geritzt werden sollen“ [42]. Man schloss aus weiteren Inschriften, dass die Schiffsbesatzung, beladen mit Kupfer aus einer nahen Lagerstätte, nach neunmonatigem Aufenthalt zurückkehren sollte. Die Heimat der Seefahrer war eine flussreiche Landschaft Norwegens nordwestlich des Oslofjordes, die heute noch die Bezeichnung „Ringerike“ (Ringreich) trägt [43].

B.Fell datierte den aus astronomischen Anhaltspunkten abgeleiteten Zeitpunkt der Expedition auf 1700 v.Chr. Die Anwohner der Nordsee waren somit mindestens seit dem frühen 2. Jtsd. v.Chr. in der Lage, den Atlantik routinemäßig zu überqueren. Das stellt eine einmalige nautische Leistung dar, die erst ein Jahrtausend später durch andere Völkerschaften, die Phönizier, wiederholt wurde [44].

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse ist es nicht unwahrscheinlich, dass die nordischen Seefahrer auch zu anderen Gebieten in der Neuen Welt gelangten und Zeugnisse ihrer Anwesenheit hinterließen. Im brasilianischen Urwald entdeckte der Franzose Homet beispielsweise vor einiger Zeit Steinkreise, Großsteingräber und Dolmen. Die Ähnlichkeit der Megalithbauten am Amazonas mit denen in Nordwesteuropa ist nicht zu bestreiten [45]. Die Bezeichnung „Atlantik“ wurde demnach nicht zu Unrecht vom Namen des legendären Inselreiches abgeleitet.

Jenseits der Säulen des Herakles

Platon zufolge herrschten die Atlanter „seit vielen Menschenaltern“ nicht nur über die Königsinsel Basileia und ihre unmittelbare Umgebung, sondern auch über einige weitere europäische Küstenländer und Inseln und sogar über Teile von Nordafrika: „Auf dieser Insel Atlantis also entstand eine große und bewundernswerte Macht von Königen, welche die ganze Insel beherrschte sowie viele andere Inseln und Teile des Festlandes. Außerdem beherrschten diese Könige noch von den Ländern am Binnenmeer Libyen bis nach Ägypten und in Europa bis nach Tyrrhenien“. Und der nachgeborene Zwillingsbruder des Atlas „erhielt den äußersten Teil der Insel von den Säulen des Herakles bis zum Gadeirischen Land“, das demnach jenseits der Straße von Gibraltar lag.

Die erwähnten Territorien gehören alle zum Verbreitungsgebiet der Megalithkulturen während der Jungsteinzeit. So darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass auch die nicht erwähnten Königreiche zu diesem Kulturkreis gehörten. Seit etwa 5000 v.Chr. siedelten von Norwegen bis Spanien und von Irland bis Deutschland Menschen, deren religiöse Vorstellungen und kultischen Bräuche sich sehr ähnelten. Vor allem war bei ihnen die Sitte verbreitet, aus tonnenschweren Steinen große Grab- und Wohnanlagen zu errichten. Die Megalithleute bewohnten vorzugsweise küstennahe Regionen und Inseln des Nordatlantiks. Eine Vorliebe hatten die alten Baumeister für Rundtempel aus Holzpalisaden und meist kreisrunde, seltener auch ovale Graben- und Wallanlagen. Diese Anlagen spiegeln in ihrem Grundbauplan die „Trojaburg“ im Zentrum der Insel Basileia wider, die aus insgesamt fünf konzentrischen Ringen bestand. Eine spätere Variante der Trojaburgen mit labyrinthischen Gängen ist besonders häufig in Südschweden anzutreffen.

Folgende Gebiete können mit großer Wahrscheinlichkeit zum Einflussbereich der Atlanter gezählt werden :

  • das „Reich des Atlas“: das Verbreitungsgebiet der Nordischen Bronzekultur mit dem Zentrum Althelgoland; ein weiteres astronomisches Zentrum waren die Externsteine bei Detmold;
  • das „Reich des Gadeiros“: Südspanien um die Hafenstadt Cadiz (Gades); außerdem Portugal; ein Zentrum war die südspanische Ortschaft Los Millares (ab 2900 v.Chr.)
  • England und Schottland; hier gibt es die größte Dichte an megalithischen Kultanlagen; Zentren waren z.B. Stonehenge (1. Bauphase ab 3100 v.Chr.) und die Anlage von Avebury
  • Irland; das Gangkammergrab in New Grange ist das älteste erhaltene Bauwerk der Welt (3250 v.Chr.);
  • Nordwestfrankreich und Gebiete zwischen den Flüssen Garonne, Loire und Rhône; Zentren waren die Steinreihen bei Carnac und steinzeitliche Anlagen bei Gavrinis (ab 4800 v.Chr.)
  • Nordafrika; Atlas-Gebirge; Gebiet der Tuareg (Libyen)
  • Inseln des westlichen Mittelmeeres (Balearen, Sardinien, Korsika, Malta) und Küstengebiete am Tyrrhenischen Meer
  • Atlantikinseln vor der Straße von Gibraltar (Kanarische Inseln, Madeira)
  • Mitteleuropa; Verbreitungsgebiet der Kreisgrabenanlagen; um 5000 v.Chr. erbaute Kultanlagen, z. B. bei Goseck (Sachsen-Anhalt); Kyhna (Sachsen); Osterhofen-Schmiedorf (Bayern)

Atl02_30Abb. 5:
Das Verbreitungsgebiet der Megalithbauwerke und Kreisgrabenanlagen in der Jungsteinzeit sowie das Gebiet der Nordischen Bronzekultur um 1500 v.Chr.

Das Siedlungsgebiet der Megalithleute erstreckte sich über ein riesiges Territorium und war somit „größer als Libyen und (Klein-) Asien zusammen genommen“. Es entstand nicht durch kriegerische Expansion eines starken Kernlandes, sondern religiöse Vorstellungen, Bräuche und Architekturideen fanden auf friedlichem Wege durch Händler und Seefahrer Verbreitung und wurden so zum Allgemeingut dieser Menschen.

Die Megalithkulturen-Theorie hat in den letzten Jahren zunehmend an Popularität gewonnen. Allerdings schlagen einige Anhänger nicht die Insel „Basileia“ in der Helgoländer Bucht, sondern andere Orte als Hauptzentrum vor. H.Tributsch favorisierte 1986 das Gebiet rund um Carnac in der Bretagne, der Holländer de Meester dagegen Stonehenge und seine Umgebung. Einen Nachteil haben diese von Spanuth abweichenden Vorstellungen jedoch. Die erstgenannte Hypothese kann den Untergang von Atlantis nur als Fata Morgana und die andere gar nicht erklären.

Sachverhalt
(bzgl. Hauptinsel und Umland)
Azoren 1) Kreta/Thera Tartessos3) Tunesien
Sch.El Djerid
Althelgoland/
NBK/MKn
Hauptvertreter der Theorie I. Donelly S. Marinatos A. Schulten P. Borchardt J. Spanuth
Jahr der Veröffentlichung 1875 1938 1925 1930 1953
Untergang um 9000 v.Chr. nein nein nein nein nein
Untergang im 14./13. Jhd. v.Chr. nein ja / nein 2) nein nein ja
archäologische Funde aus dem 14./13. Jhd. v.Chr. nein ja nein nein ja
jenseits der Straße von Gibraltar ja nein ja nein ja
Übereinstimmung mit Lage der Phäakeninsel Scheria nein nein nein nein ja
westlich und/oder nördlich von Sizilien (laut Diodor von Sizilien) ja nein ja nein ja
größer als Libyen u. Kleinasien zusammen nein nein nein nein ja (MKn)
370*560 km große Ebene nein nein z.T. (kleiner) / um Cadiz nein ja (Dän./ Norddtl.)
hohe, schöne Berge im Norden der Ebene nein nein ja (Sierra Morena) nein ja (Berge der norw. Fjorde)
an der Mündung großer Flüsse gelegen nein nein z.T. (Gua-dalquivir) z.T. (Triton-Fluss) ja (Weser, Elbe, Eider, …)
Schlamm-Meer nach Untergang nein nein nein nein ja/ Wattenmeer
Bevölkerung führte Krieg gegen Ägypten, Griechenland und Kleinasien nein nein nein z.T. (Libyer gegen Ägypter) ja (Nord-/ Seevölker)
Oreichalkos (Bernstein) vorhanden nein nein nein nein ja
gediegenes, schmelzbares Kupfer nein nein ja ja ja
große Bauwerke mit Ringstruktur nein nein nein nein ja
Elefanten nein nein nein ja nein

Tabelle 1:  Die bedeutendsten Atlantis-Theorien im Vergleich [57]

(NBK= Gebiet der Nordischen Bronzekultur; MKn= Gebiet der Megalithkulturen)
Bem. 1) entsprechend den realen Gegebenheiten um 9000 v.Chr. bzw. 14./13. Jhd. v.Chr.
2) ja, falls Vulkanausbruch um 1220 v.Chr.; nein, falls Vulkanausbr. um 1628 v.Chr.
3) phönizische Gründung (= Cadiz ?) in S-Spanien, von 1100 v.Chr. bis 500 v.Chr.

Frühe Astronomen und Erdvermesser

Die Seewege zwischen den einzelnen Kulturen und vor allem die Fahrten zu den entlegensten Inseln erforderten frühzeitig überdurchschnittliche nautische Leistungen. Den Menschen der Jungsteinzeit und Bronzezeit standen zwar keine modernen Navigationsinstrumente zur Verfügung, doch sie waren ausgezeichnete Naturbeobachter. Sie orientierten sich auf dem Meer tagsüber am Sonnenstand und des nachts an den jahreszeitlich vorherrschenden Sternbildern [46]. Wahrscheinlich nutzten sie schon den später bei den Wikingern gebräuchlichen Sonnenkompass. Mit diesem einfach handhabbaren Navigationsgerät konnte man ziemlich exakt während eines bestimmten Jahresabschnittes zu jeder Tageszeit die Nordrichtung feststellen [47].

Zunutze machten sie sich ein über Jahrtausende hinweg von Priesterastronomen angesammeltes Wissen. Gerade der europäische Norden bietet einige ungewöhnliche Himmelserscheinungen, die dem Betrachter auf der geographischen Breite des Mittelmeeres verwehrt bleiben :

  • Nördlich des Polarkreises geht die Sonne über einen längeren Zeitraum nicht auf bzw. unter.
  • Der Himmelspol steht fast im Zenit. Daher kann nur ab ca. 65° n.Br. die Vorstellung von der Himmelsstütze und vom Riesen Atlas entstehen, der das Himmelsgewölbe auf den Schultern trägt.
  • Alle knapp 19 Jahre treten extreme Mondstellungen auf, die auf einer nördlichen Breite von ca. 61° auch von astronomischen Laien beobachtbar sind. Dabei steht der Sommervollmond bei seiner Kulmination extrem niedrig über dem Horizont bzw. berührt ihn (9 oder 10 Jahre später dagegen beträgt die Kulminationshöhe reichlich 10°). Ebenso wird der Wintervollmond alle 19 Jahre zirkumpolar.
  • Die Schifffahrt auf langen Distanzen ist an der W-Küste Norwegens zwangsweise N-/S-gerichtet, dagegen im Mittelmeer vorzugsweise O-/W-gerichtet. Die Abnahme der Polhöhe von 71° in Nordnorwegen bis auf 54° bei Helgoland lässt daher eher den Gedanken an eine Kugelgestalt der Erde aufkommen.

Es darf daher nicht verwundern, dass Diodor von Sizilien über die Atlanter und ihre astronomischen Fähigkeiten berichtet:

„Atlas, der erste König auf der heiligen Insel und Ahnherr des dort herrschenden Geschlechts hat viel Mühe und Fleiß auf die Kenntnis der Gestirne verwendet und mit großem Scharfsinn herausgefunden, dass der Himmelsbau eine Kugel sei. Atlas … hat die Bewegung der himmlischen Gestirne erfasst und den Menschen offenbart. Dadurch entstand die Sage, dass er den Himmel auf seinen Schultern trüge. …Als ein fleißiger Beobachter der Gestirne sagte er Vieles, was am Himmel geschah, voraus. Das Volk lehrte er nach der Bewegung der Sonne das Jahr, und nach der des Mondes die Monate bestimmen.“ [48].

Das astronomische Wissen der Megalithleute war in der Tat erstaunlich. Sie kannten die genaue Jahreslänge, unterteilten sie in 16 Monate zu je 22 und 23 Tagen und richteten ihre Steinsetzungen nach den Auf- und Untergängen heller Sterne aus. Am bemerkenswertesten aber war ihre Kenntnis des 18,6 jährigen Zyklus‘ bei der Abfolge der Mond- und Sonnenfinsternisse. Diesen so genannten Meton-Zyklus kannten die Erbauer der Stonehenge-Anlage mindestens seit 1800 v.Chr. Die Kenntnis einer ähnlich langen Zeitdauer zur Finsternisberechnung, die Sarosperiode, wird den Babyloniern erst um 600 v.Chr. zugeschrieben.

Ein anderer Anreiz zu intensiver astronomischer Betätigung entstand durch den Übergang unserer Vorfahren von der nomadischen Lebensweise zum Ackerbau. Um den richtigen Zeitpunkt für Aussaat und Ernte bestimmen zu können, war erstmals die genaue Kenntnis des jährlichen Sonnenlaufs erforderlich. Während es anfangs noch genügte, die Aufgangspunkte zur Winter- und Sommersonnenwende mit einfachen Pfostenreihen zu markieren, entstanden später runde Sonnentempel, in denen man an ganz bestimmten Tagen im Jahr Feste feierte. Besonders verbreitet waren die astronomisch orientierten Kreisgrabenanlagen und mehrfachen Holzpalisadenringe in Mitteleuropa. Hier siedelten ab 5300 v.Chr. die Bandkeramiker, die wahrscheinlich ersten Bauern auf unserem Kontinent. Eine über mehrere Jahrtausende währende Beschäftigung mit den Himmelsereignissen lässt sich im mitteldeutschen Raum nachweisen. Um 5000 v.Chr. wurde die Kreisgrabenanlage in Goseck errichtet, und nicht weit davon entfernt legte man um 1600 v.Chr. einem hohen Würdenträger der Aunjetitzer Kultur die berühmte Sternscheibe von Nebra ins Grab.

Bewundernswert sind ebenfalls die vermessungstechnischen Fähigkeiten dieser Menschen in so früher Zeit. Sie wahrten bei ihren Steinsetzungen und Kreisgrabenanlagen bestimmte Proportionen, die bei Umfang und Durchmesser runde Maßzahlen in ihrem Maßsystem ergaben. Die praktische Anwendung des Lehrsatzes des Pythagoras war ihnen bereits vertraut, wie beispielsweise Steinsetzungen in Odry (Westpreußen) und in der Bretagne zeigen [49]. Es wurden sogar vorgeschichtliche Heiligtümer über große Entfernungen hinweg geradlinig oder in einem besonderen Winkel zueinander angeordnet. Während in Südengland schon seit längerer Zeit so genannte Ley-Linien aufgespürt wurden, gelangen K.Bedal und H.Zschweigert ähnliche Entdeckungen vor einigen Jahren auch in Oberfranken und Schleswig-Holstein [50]. Die vorgeschichtlichen Vermesser benutzten beim Errichten ihrer Bauwerke eine einheitliche, von A.Thom nachgewiesene Maßeinheit, das „Megalithische Yard“ (MY) von etwa 83 cm Länge [51]. Wahrscheinlich wurde bereits für größere Distanzen die später auch in Griechenland gebräuchliche Maßeinheit „Stadion“ (ca. 185 m) verwendet und der Erdumfang mit 216.000 Stadien bestimmt [52]. Sollte dieses erstaunliche Wissen tatsächlich vorhanden gewesen sein, dann ist die Vermessung der 2000 mal 3000 Stadien große Ebene sicherlich von den dort lebenden Menschen selbst vorgenommen worden. Auch wenn eine Überinterpretation archäometrischer Fakten nie ganz auszuschließen ist, so dürften doch die mathematischen und astronomischen Fähigkeiten dieser Menschen höher gewesen sein als noch vor Jahrzehnten angenommen.

Die „Heilige Insel“ Basileia

Die Archäologen kennen schon seit längerem einige bedeutende jungsteinzeitliche Kultanlagen und Ansiedlungen der Megalithleute und Bandkeramiker. Es muss jedoch darüber hinaus ein Ausstrahlungszentrum gegeben haben, das ordnend in das Gemeinleben aller zehn Königreiche der Atlanter eingriff. Anders ist beispielsweise die Ausbreitung des „Megalithischen Yard“ in halb Europa nicht erklärbar. Auch für Prof. W.Schlosser bedeutet die Existenz und strenge Einhaltung der „megalithischen Elle“ als Grundmaß in einem so großen Gebiet eine fast hochkulturelle Durchstrukturierung zumindestens in der Geometrie [53]. Billigt man dem Atlantisbericht auch in diesem Punkte Wahrheitsgehalt zu, dann kann diese „Maßgebende“ Rolle nur die mehrfach hervor gehobene „Heilige Insel“ Basileia gespielt haben. Hier trafen sich alle fünf oder sechs Jahre die Könige der weit verbreiteten Gemeinschaft zu kultischen Handlungen und berieten über die von allen einzuhaltenden Gesetze.

Bisher ist es noch nicht gelungen, die genaue äußere Gestalt dieser Insel zu ermitteln. Zumindestens aber gibt es Anhaltspunkte für ihre ungefähre Lage. Schon frühzeitig erkannte man, dass das heutige Helgoland nicht die gesuchte antike Bernsteininsel gewesen sein kann. Nach einer Untersuchung der geologischen Gegebenheiten durch E.Wasmund im Jahre 1937 konnte sie sich nur über dem Südstrandrücken in Richtung Eiderstedt erstreckt haben. Das Zentrum von Atlantis war demnach eine relativ große zusammenhängende Insel, die von Helgoland bis zu einer Stelle reichte, an der sich später zeitweilig die separate Insel „Südstrand“ befand. Der aus Platons Angaben für Basileia abgeleitete Durchmesser von 127 Stadien (23,5 km) erscheint glaubhaft, weil einige im Mittelalter zerfallene nordfriesische Inseln ursprünglich eine ähnliche Größe hatten.

Ein strittiger Punkt ist noch die Frage nach dem Mittelpunkt der bronzezeitlichen Insel, wo sich „ein allseits niedriger Hügel“ mit den wichtigsten Kultanlagen befunden haben soll. J.Spanuth war stets davon überzeugt, ihn 50 Stadien östlich der Düne auf dem etwas höher liegenden Steingrund gefunden zu haben, wo auch seine wichtigen Tauchfunde gemacht wurden. W.P.A.Fischer nimmt dagegen als Zentrum eine zweite untermeerische Erhebung etwa 11 km nö. vom Steingrund an. Nur hier war seiner Meinung nach genug Platz für eine annähernd runde, große Insel mit über 10 km Radius. Für diese Annahme spricht der Verlauf der 20 m – Tiefenlinie, die etwa den bronzezeitlichen Küstenverlauf widerspiegelt. Allerdings wurden bisher noch keine Unterwasserfunde gemacht, die den Mittelpunkt genau an dieser Stelle belegen, und andere Forscher teilen eher Spanuths Auffassung.

Ebenso sind bei der detailreichen Beschreibung der „Königsinsel“ hinsichtlich der Größenangaben und der Ausstattung einiger Bauwerke Zweifel angebracht. Es wird beispielsweise von einem 93 m breiten und 31 m tiefen und mit Kupfer ausgelegten Kanal berichtet. Der Haupttempel soll Ausmaße von 185 mal 93 m gehabt haben. G.Kehnscherper vermutete daher, dass Platon nur ganz allgemein sein Wissen über die nördlich der Alpen lebenden Völkerschaften zusammengefasst hat und die Insel Basileia mit nur ganz wenigen „echten“ Bausteinen ausstattete. Die zentrale Trojaburg mit insgesamt fünf Land- und Wasserringen und einem Außendurchmesser von 27 Stadien (5 km) wäre seiner Meinung nach nur die ins Überdimensionale vergrößerte Kultanlage von Stonehenge gewesen [54].

 

Atl08Abb. 6:
Aufbau des Zentrums der Insel Basileia, rekonstruiert nach den Angaben Platons (Dialog „Kritias“);

Neuere Überlegungen machen es allerdings wahrscheinlich, dass die gefangenen Philister den Ägyptern doch relativ genaue Ortsbeschreibungen gaben. Einige in Museen ausgestellte Fundgegenstände aus dem Gebiet der Nordischen Bronzekultur verraten dazu erstaunliche Einzelheiten, die bisher nur unbefriedigend gedeutet werden konnten. Die Ornamentik mehrerer fast 1 m großen Rundschilde stellt nach Auffassung von H.Zschweigert nichts anderes als das Zentrum der Insel Basileia künstlerisch dar [55]. So erkennt man die Land- und Wasserringe rings um den Inselmittelpunkt mit dem ovalen Burghügel, die Überbrückungen über den schmalen Schleusen, den äußeren langen Kanal bis zum Meer und auf einigen Schilden auch Schwäne, die heiligen Vögel der Hyperboreer.

Atl09Abb. 7:
Einer der 16 in Schweden gefundenen „Herzsprung-Schilde“ aus der Bronzezeit mit stilisierter Darstellung des Zentrums von Basileia (?)
(Foto: H.Zschweigert)

Bedeutsam ist ferner, dass diese in Schweden gefundenen Bronzeschilde fast identisch verziert sind wie die zwei aus Herzsprung in der Prignitz stammenden Schilde [56]. Die so genannten Herzsprung-Schilde fand man nicht nur im Gebiet der Nordischen Bronzekultur, sondern auch auf den Britischen Inseln, in Mitteleuropa, Spanien, Griechenland und auf Zypern. Die Verbreitung dieser Schilde zeugt von der überregionalen Bedeutung und Verehrung der wichtigsten Insel der Atlanter.

Einige bis zu 12 cm große, vornehmlich von Frauen getragene Gürtelscheiben erinnern ebenfalls in ihrer künstlerischen Darstellung an das Zentrum der „Säulen- und Königsinsel“: eine mit einem kleinen Sporn versehene, leicht erhabene Mittelfläche ist umgeben von mehreren Ringen, von denen jeder zweite mit einem Wellenband dargestellt wurde. Auch beim Sonnenwagen von Trundholm ist die vergoldete Scheibe nicht ideal glatt, wie für eine Sonnendarstellung zu erwarten wäre, sondern mit einem ähnlichen Ring- und Wellenmuster verziert.

Zu den „echten“ Bausteinen bei der Beschreibung der Insel zählen sicherlich auch die mit Bernstein bedeckte zentrale Säule, auf der Stiere geopfert wurden, die warme und kalte Quelle, die „barbarisch“ aussehenden Tempel, der Heilige Hain, mehrere Häfen und das „Kaufmannsviertel“. Wahrscheinlich steckt selbst in den angeblich mit Kupfer ausgelegten Kanälen eine noch nicht richtig deutbare Information, denn einer alten Helgoländer Sage zufolge soll auf dem Steingrund einst eine unermesslich reiche Stadt mit kupfernen Kanälen gelegen haben.

Anlage Gebiet Bauzeit
v.Chr.
Außen-Ø
in m
Anzahl Ringe Besonderheiten / Anmerkungen
Basileia / Althelgoland Deutsche Bucht vor 5000 1) 4995
(27 Stadien)
5 3 Wasser- und 2 Landringe;
Tempel u.a. Heiligtümer im Zentrum
Avebury Südengland 2700 427 1 + 2 mit 2 kleineren Innenringen, (Steinkreise);
größte erhaltene Anlage
Birkendegaard Seeland /DK 1000 (?) 320 3 mit Steinsäulen (wie bei Stonehenge)
Kyhna Sachsen 5500 150 4 3 Tore
Stonehenge Südengland 3100 /
ab 2600
104 /
30
Erdwall
4 2)
erhaltene Steinkreise; in Hufeisenform aufgestellte 5 Trilithe
Quenstedt Sa.-Anhalt 2200 95 5 5 Holzpalisadenringe, 3 Tore
O.-Schmiedorf Bayern 4800 75 3 2 Tore
Goseck Sachsen-Anhalt 5000 74 2 früheste Anlage mit nachgewiesener astronomischer Ausrichtung; 3 Tore

Tabelle 2:  Die Kreisgrabenanlage auf Basileia im Vergleich zu anderen bedeutenden Anlagen in Europa

Bem. 1) Laut Platon war die 1. Ausbaustufe (ohne Schleusen und Kanäle) „vor Beginn der Schifffahrt“
2) Steinkreise z.T. nicht vollständig geschlossen

 

Quelle: http://www.eichner-dresden.de/atlantis/

Gruß an Die Atlantider

TA KI

 

 

9 Kommentare zu “Atlantis Teil 1.

  1. Pingback: Atlantis Teil 1. | das Erwachen der Valkyrjar | Matthiass Space

  2. Danke TA-KI. Das ist sehr interessant und das Buch von Spanuth habe ich tatsächlich schon 1953 gelesen (denn mein Vater war Vertreter dieses Verlages). Es erschien mir damals schon als gute wissenschaftliche Arbeit. Da er noch lange lebte, hat er sicher weitere Errkenntnisse und Beweise beibringen können. Habe jetzt nicht den ganzen Text lesen können, werde ich aber bei Gelegenheit nachholen.

  3. Pingback: Helgoland die bombardierung 1947 | Viel Spass im System

  4. Die Wissenschaftler sollten sich mit ihren Aktivitäten zurückhalten!
    Im Augenblick schweigt das $y$t€m die ganze Sache noch tot.
    Wenn das aber nicht mehr geht, wird eher alles zerstört werden, bevor man zuläßt, daß noch weitere Beweise für die weltbeherrschende Hochkultur UNSERER Ahnen zu Tage gefördert werden!

    Adolph

  5. Eine wichtige Berichtigung:
    Der Hever ist kein verschwundener Fluß oder sonst irgend ein Süßgewässer!
    Der Heverstrom ist eine Meeresströmung des Deutschen Meeres, der Nordsee, und war es immer.
    Er wird durch die Gezeiten verursacht und zieht sich in Nordfriesland zwischen der Halbinsel Eiderstedt – dort der bekannte Leuchtturm Westerheversand mit den beiden Leuchtturmwärterhäusern – im Süden und der Insel Nordstrand bis in den Hafen von Husum.
    Der durch eine Sturmflut im 17. Jahrhundert entstandene Norderhever ist inzwischen erheblich mächtiger als der ursprüngliche Heverstrom und zieht sich nördlich Nordstrand und südlich Pellworm – beide gehörten zu der durch den Norderhever zerstörten Insel Strand – durch die Halligen bis zu deren Ende bei Langeneß und Oland.
    Durch seine gewaltigen Wasserbewegungen, die sich über dies auch ständig verändern, gräbt er in seinem Einzugsbereich mit wechselnder Intensität an den Sockeln der verbliebenen Nordfriesischen Inseln.

    Adolph Bermpohl

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