Der Regierungschef Estlands ist besorgt über die russischen Machtspiele. Die Nato-Eingreiftruppe sei nicht ausreichend gegen „Putins unaufhörliche Kriegslust“ gewappnet. Er könnte jederzeit angreifen.
Der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves fürchtet, dass die Nato-Eingreiftruppe nicht gut genug gegen Putin gerüstet ist. „Wir haben einen dramatischen Anstieg der Militärflüge zu beobachten“, sagte Ilves der britischen Zeitung „Telegraph“. „Wir haben viele Jagdübungen an unseren Grenzen gesehen.“ Estland gehöre zu einer Gruppe von Ländern, die „in einer bedrohlichen Reihe“ stünden. Es existiere eine „unaufhörliche Kriegslust von Wladimir Putin“, gegen die sich die Nato auf Dauer wappnen müsse. Aktuell sei nur eine 150-köpfige US-Infanterie als einziges Nato-Kontingent in Estland stationiert, und das auch nur vorübergehend, warnte Ilves. Er bekomme viele Aktivitäten hinter der russischen Grenze mit – sie liegt rund 100 Kilometer östlich von seinem Präsidentenpalast – und befürchte, dass Russland die baltischen Staaten im Falle einer Invasion unverzüglich abriegeln könnte.
Nato-Speerspitze wäre zu langsam
„Wir bekommen Übungen mit, die hinter unseren Grenzen mit 40.000 bis 80.000 Soldaten stattfinden“, sagte Ilves. Natürlich könne Putin rechtfertigen, dass die Nato und die USA verstärkt Anwesenheit zeigen. Doch die eingerichtete Taskforce der Nato-Verbündeten bestehe nur aus rund 5000 Soldaten, moniert Ilves.
Die Schaffung dieser neuen „Speerspitze“ hatte die Nato zwar im vergangenen Jahr beschlossen – auch zur Beruhigung der kleineren Staaten wie Estland – doch Ilves ist alles andere als beruhigt.
„Wann wären sie hier? In einer Woche? Fünf Tagen?“, fragt er. Denn angesichts der Truppenbereitschaft des Nachbarn sei die Bedrohung unmittelbar vorhanden. „Sie wären hier – und innerhalb von vier Stunden wäre alles vorbei.“
Bedrohung ahnte er immer schon
Im Januar hatte Ilves im Interview mit der „Welt“ noch etwas weniger ängstlich geklungen. „Wenn man in der EU und der Nato ist, gibt es keinen Grund zur Furcht. Wir durchleben eine Situation wie in Westdeutschland vor 1989, die Gefahr ist da, man beobachtet schlechtes Benehmen, aber man lebt damit. Man macht sogar Witze“, sagte er damals. Estland fühle sich nicht als Außenseiter im westlichen Bündnis, doch eine russische Bedrohung ahnte er immer schon.
„20 Jahre lang hat man den Osteuropäern erzählt, beruhigt euch, Russland ist ein ganz normales Land. Und jetzt sehen wir, dass wir Recht hatten. Vor wenigen Tagen haben wir erstmals strategische Bomber der russischen Luftwaffe über der Ostsee gesehen. Und da sagen die Leute, wir seien paranoid. Länder, die das sagen, sollten lieber auf ihr hohes Defizit achten und ihre überzogenen Lohnkosten“, so Ilves.
Über einen möglichen Plan Putins spekulierte er Anfang 2015, er sei nur Machtgehabe. „Wir sollten dahinter nicht zu viel Plan vermuten. ,Wir sind groß, wir sind stark‘, das steckt dahinter.“ Nun scheint der Regierungschef Estlands seine Meinung revidiert zu haben.
Trotz der zusätzlichen Absicherung seit der Ukraine-Krise durch die Nato sei eine permanente Stationierung der Truppen ausgeblieben. „1997, als der Vertrag mit Boris Jelzin geschlossen wurde, da konnte Russlands Luftwaffe nicht mal abheben, die hatten gar kein Kerosin“, sagte Ilves, „das war ein ganz anderes Sicherheitsumfeld.“
Geschlossenheit wie im Kalten Krieg fehle
In dem aktuellen Interview mit dem „Telegraph“ kritisierte Ilves auch die Entwicklungen auf anderer Ebene, zum Beispiel die geschäftlichen Beziehungen zwischen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Gaskonzern Gazprom. „Das ist etwas, was bis zum Jahr 1991 nicht möglich gewesen wäre – nie“, sagte er.
Der 61-Jährige ist bereits seit fast einem Jahrzehnt Estlands Präsident. Während des Kalten Krieges lebte er im amerikanischen Exil. Im Vergleich zu damals vermisst er die Entschlossenheit des Westens. „Es gab eine gewisse moralische Klarheit, die jetzt drohe, auseinander zu fallen.“
In Estland leben rund 1,3 Millionen Menschen – in Russland leben mit 143 Millionen gut hundertmal mehr Menschen.
Dieser Mann ist im Gegensatz zu den anderen westlichen Durchgeknallten, Träumern und Pudeln Realist geblieben.
Im Osten grenzt Estland komplett an russisch Karelien, und im Westen wird das Baltikum durch russisch Kaliningrad begrenzt. Ein großer Teil des Baltikums im Süden durch Weißrussland, dass eine Allianz mit der Russischen Föderation hat, und wo sich auch einige russische Flugplätze befinden. Sie sind quasi eingeschlossen.
Für das ganze Baltikum brauchen die Russen durch diese Situation vielleicht zwei Tage. In sofern sind sowohl das Russland-bashing der litauischen Staatspräsidentin wie auch die Waffenlieferungen über Litauen und Lettland in die Ukraine nicht gerade förderlich für eine ruhige Nachbarschaft mit der RF. Die NATO-Manöver im Baltikum mit Paraden in Narva, 200 Meter von der russischen Grenze erst recht nicht
Sie tun einfach alles, um richtig eins auf die Nase zu bekommen. Daher sollten sie jetzt nicht jammern. Jeder bekommt das, was er provoziert hat.