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Jo Conrad macht sich Gedanken über die Ordnungskräfte der Natur, die zerstörerischen Mächte in der Weltglobalisierung und das Erkennen der sinnvollen Ordnung im Wachstum der Seelen. Original und Links bei Bewusst.tv

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Gruß an die Dinge hinter den Dingen

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Der schwächste Papst aller Zeiten


Oder ist es ein Zeichen der Stärke, dass Franziskus die Bischöfe auf der vatikanischen Familiensynode über Sexualmoral der Kirche beraten lässt? Die Geschichte einer bewussten Selbstentmachtung.


Keine einsamen Entscheidungen mehr: Franziskus bindet die Bischöfe in die Regierung der Kirche ein

Einer der bemerkenswertesten Sätze, die Papst Franziskus in seiner Schrift „Evangelii gaudium“ formuliert hat, beschäftigt sich mit der Ohnmacht des Vatikans. Er findet sich gleich im ersten Kapitel. Franziskus schreibt über den Einfluss von Lehrtexten, die der Heilige Stuhl in die Welt schickt. Eigentlich belegen solche Dokumente den Anspruch Roms, die Kirche zentralistisch führen zu können, disziplinarisch und spirituell. In den Glanzzeiten des Vatikans feierte sich in ihnen der Primat des Papstes selbst. Die Zeiten haben sich geändert.

Franziskus schreibt: „Ich weiß sehr wohl, dass heute die Dokumente nicht dasselbe Interesse wecken wie zu anderen Zeiten und schnell vergessen werden.“ Das Oberhaupt einer der größten Religionsgemeinschaften der Welt hält fest, dass die Lehrdokumente seiner Behörde kaum noch Wirkung auf die Gläubigen besitzen. Als sei das ganz selbstverständlich.

Die Katholiken bestaunen derzeit die Machterosion des Vatikans. Es ist ein Prozess, der schon vor Franziskus begonnen, mit ihm aber zusätzliche Dynamik erhalten hat. Wenn sich heute im Vatikan knapp zweihundert Kardinäle und Bischöfe zu einer Synode versammeln, wird in erster Linie über die Zukunft der katholischen Sexual- und Familienethik debattiert.

Zugleich aber werden die theologischen Kompetenzen zwischen Zentrale und Filialen neu verhandelt. Kirchenhistorisch gesehen erlebt das alte Papsttum derzeit eine Krise. Und niemand scheint das mehr zu begrüßen als der Papst selbst.

Wenn man den theologischen Einfluss des Petrusamtes über die Jahrhunderte hinweg als vereinfachende Kurve eines Diagramms zeichnen wollte, hätte sie die Form eines Berges: Nach schweren Anfängen erlebte es, mit kleineren Rückschlägen, einen langen Aufstieg – und steckt seit einiger Zeit in der Rezession.

Petrus erscheint in der Apostelgeschichte nur als eine Führungsfigur unter vielen. Streitpunkte wurden in der christlichen Urgemeinde kollegial beraten. So entschieden über die Frage, ob nur Juden oder auch Heiden getauft werden können, weder Paulus noch Petrus noch sonst eine prägende Persönlichkeit, sondern die versammelten Christen in Jerusalem auf dem sogenannten Apostelkonzil.


Apostelfürsten: Petrus (links) und Paulus, wie der Maler El Greco sie sah (Ölgemälde von ca. 1590)

Apostelfürsten: Petrus (links) und Paulus, wie der Maler El Greco sie sah (Ölgemälde von ca. 1590)

Die Nachfolger Petri, die Bischöfe von Rom, beanspruchten, weil ihr Sitz in der Hauptstadt des römischen Weltreiches lag, schon früh zumindest einen Ehrenvorrang gegenüber anderen Oberhirten. Letztlich schaffte es aber erst Gregor der Große (ca. 540-604), die Idee eines echten Papsttums durchzusetzen. Die wichtigsten theologischen Entscheidungen der frühen Christenheit, von der Kanonisierung des Neuen Testaments bis zur Formulierung des Glaubensbekenntnisses, waren da bereits gefallen.

Seit dem Mittelalter erlebte das Papsttum nicht nur den Aufstieg zu einem weltlichen Machtfaktor, sondern etablierte sich auch als letzte theologische Instanz. Eine Entwicklung, deren Höhepunkt die Dogmatisierung der lehrmäßigen Unfehlbarkeit des Papstes auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 darstellte. Es war die Spitze des Berges.

Die Gegenbewegung begann im 20. Jahrhundert, als die Päpste parallel zum Siegeszug der Demokratien in aller Welt mit Verfahren der Mitbestimmung zu experimentieren begannen. Das Zweite Vatikanum relativierte die Rolle des Heiligen Stuhles, in dem es die lehramtliche Kompetenz der Gemeinschaft der Bischöfe besonders betonte. Das Ideal der Kollegialität gehört zu den Gründen, aus denen die ultrakonservativen Piusbrüder das Vatikanum bis heute nicht anerkennen.

Der sinkende Einfluss des Heiligen Stuhls in theologischen Fragen kommt auch in Äußerlichkeiten zum Ausdruck: Die Päpste legten monarchisierende Attribute ab, die Sänfte, die weißen Handschuhe, die Tiara. Dazu passt eine fortschreitende Entsakralisierung der Amtsinhaber, die beim Rücktritt Benedikts XVI. endgültig sichtbar wurde.


Der frisch gewählte Papst Paul VI. wird am 30. Juni 1963 auf dem Petersplatz mit der Tiara gekrönt. Heute tragen die Nachfolger Petri die dreireifige Papstkrone nicht mehr; seit Benedikt XVI. wird sie auch nicht mehr im Wappen geführt

Der frisch gewählte Papst Paul VI. wird am 30. Juni 1963 auf dem Petersplatz mit der Tiara gekrönt. Heute tragen die Nachfolger Petri die dreireifige Papstkrone nicht mehr; seit Benedikt XVI. wird sie auch nicht mehr im Wappen geführt

Das lehramtliche Machtvakuum an der Spitze der Kirche ist theologisch gewollt. Es soll dem Volk – den Priestern und Laien – einen größeren Handlungsspielraum öffnen. Der geht noch weit über die Teilhabe während der ersten christlichen Jahrhunderte hinaus, weil es damals noch keine bewährten Verfahren der Willensbildung, ja überhaupt keine Öffentlichkeit im modernen Sinn gab. Damit der Spielraum noch besser genutzt werden kann, hat Papst Franziskus wichtige theologische und strukturelle Voraussetzungen geschaffen.

Zu ersteren gehört seine Entscheidung, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte „Hierarchie der Wahrheiten“ zum Leitgedanken katholischer Verkündigung zu machen. Die Idee besagt sinngemäß, dass es wichtige und nicht ganz so wichtige Lehren gibt. Die großen Versprechen des Christentums wie die Nähe Gottes, die Vergebung der Sünden oder die Auferstehung sind demnach für einen Katholiken vorrangig gegenüber moralischen Detailfragen wie dem Kondomverbot. Das eröffnet Diskussionsmöglichkeiten.

Der Größte von euch soll euer Diener sein

Matthäus 23,11

Auf einen der heftigsten Streitpunkte der Familiensynode angewendet, den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, heißt das zum Beispiel: Die Unauflöslichkeit der Ehe bleibt unangetastet; über die praktischen Folgen im seelsorgerischen Alltag kann man reden. So lässt sich Traditionalismus in Kernfragen mit Pragmatismus beim Kleingedruckten verbinden.

Dem entspricht auf struktureller Ebene die Ausweitung der Entscheidungsprozesse nicht nur auf die Bischöfe, sondern letztlich auf so viele Gläubige wie möglich. „Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen“, schreibt Franziskus in „Evangelii Gaudium“. „Ich lade alle ein, wagemutig und kreativ zu sein in dieser Aufgabe, die Ziele, die Strukturen, den Stil und die Evangelisierungsmethoden der eigenen Gemeinden zu überdenken.“

Im Herbst schickte er zur Vorbereitung der Familiensynode einen Fragebogen zur Sexualethik an Geistliche und Laien. Die Antworten, die eine wachsende Kluft zwischen Lehre und Lebenswirklichkeit belegten, wurden eingearbeitet in das Arbeitspapier der Bischofssynode. Die Erfahrungen der Basis bilden nun den Bezugsrahmen für die moraltheologischen Verhandlungen. Die Synodenteilnehmer werden zu Sachwaltern der Anliegen der Laien, zu Mandatsträgern.

Der Ablauf römischer Synoden erinnert ohnehin an eine UN-Vollversammlung. Die Bischöfe verlesen vier- bis achtminütige Statements, die simultan übersetzt und zu Zwischen-, Diskussions- und Beschlussvorlagen zusammengestellt werden. Am Ende gibt der Papst die Ergebnisse in Gestalt eines synodalen Schreibens heraus.


Die bisher letzte Bischofssynode in Rom fand im Oktober 2012 statt, noch unter Papst Benedikt XVI. Sie beschäftigte sich mit dem Thema Neuevangelisierung

Die bisher letzte Bischofssynode in Rom fand im Oktober 2012 statt, noch unter Papst Benedikt XVI. Sie beschäftigte sich mit dem Thema Neuevangelisierung

Im selbst gewählten Niedergang des päpstlichen Einflusses, der mehr Kollegialität, Mitbestimmung und Subsidiarität ermöglichen soll, spiegelt sich die Logik des Evangeliums: „Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11). Geht der Prozess weiter, könnte sich der Heilige Stuhl aus bestimmten Diskussionen eines Tages ganz zurückziehen. Franziskus hat schon einmal angedeutet, dass nicht alle Details des Katholizismus von Rom geregelt werden müssten.

Glaubt man einigen der Synodenteilnehmer, könnte das bereits für die Sexualethik gelten. In diesem Jahr werden sowieso noch keine Entscheidungen erwartet: Die Bischofsversammlung ist nur als Vorbereitung gedacht für eine noch größere „Ordentliche Generalversammlung“ zum Thema im Herbst 2015. Aber auch die könnte, heißt es, eher allgemeine Linien vorgeben, die dann von den nationalen Bischofskonferenzen für ihre jeweiligen Länder und Kulturen konkret ausgelegt werden müssten. Das hieße auf Dauer wohl: weniger Dokumente aus Rom. Aber die werden ja sowieso rasch vergessen, sagt der Papst.

Quelle: http://www.welt.de/kultur/article132916348/Der-schwaechste-Papst-aller-Zeiten.html

Gruß an die Satansbraten des Vatikan und seinen Lakaien