Zahnpasta und Sonnencreme können Spermien schaden, wie Bonner Forscher jetzt bewiesen haben. Die darin enthaltenen Chemikalien führen Spermien nicht nur in die Irre, sie beschädigen sie auch und fördern Unfruchtbarkeit.
Wir benutzen sie regelmäßig – und doch geht eine nicht zu unterschätzende Gefahr von ihnen aus: Zahnpasta und Sonnencreme können Spermien schaden, wie ein deutsch-dänisches Forscherteam jetzt belegen konnte. Grund hierfür sind die darin enthaltenen „hormonell wirksamen Chemikalien“ (endocrine disrupting chemicals), die auch „Störer des Hormonsystems“ genannt werden.
Gefährliche Chemikalien in Kosmetika und Spielzeug
Nach Angaben der Forscher aus Bonn und Kopenhagen könnten diese Substanzen mitverantwortlich für Fruchtbarkeitsstörungen sein, die in der westlichen Welt immer häufiger aufträten. Besonders beunruhigend: Die Chemikalien sind allgegenwärtig. So sollen sie in Lebensmitteln, Plastikflaschen, Textilien, Haushaltsprodukten, Kosmetika und sogar Spielzeug enthalten sein.
Neues Verfahren beweist schädliche Wirkung auf Spermien
„Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass eine Vielzahl weit verbreiteter Substanzen eine direkte Wirkung auf menschliche Spermien hat“, sagt Prof. Niels E. Skakkebaek, Leiter des dänischen Forscherteams vom Rigshospitalet in Kopenhagen. Bislang habe man die schädlichen Folgen der Stoffe nur schwer nachweisen können, erklärte die Forschergruppe des Rigshospitalets und des Center of Advanced European Studies and Research (Forschungszentrum caesar) in Bonn. Sie habe deshalb nun ein Verfahren entwickelt, mit dem die Wirkung auf menschliche Spermien „zuverlässig und schnell“ untersucht werden könne, wie es in einer Mitteilung des caesar-Instituts heißt.
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Hundert hormonell wirksame Chemikalien im Test
Im Rahmen der Studie, die in der Fachzeitschrift „EMBO reports“ veröffentlicht wurde, haben die Wissenschaftler rund hundert hormonell wirksame Chemikalien getestet. Etwa 30 davon beschädigten die Spermien. Dazu gehören Bestandteile von Sonnenschutzmitteln, wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), der Kunststoff-Weichmacher Di-n-butylphthalat (DnBP) sowie das antibakteriell wirkende Triclosan, das in Zahnpasta und Kosmetika enthalten ist. Diese Stoffe führen die Spermien in die Irre und machen sie orientierungslos, wie die Studie belegt.
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Schwimmverhalten der Spermien wird verändert
Um der schädlichen Wirkung der Substanzen auf die Schliche zu kommen, untersuchten die Forscher die Spermien genau. Durch die Chemikalien strömt Kalzium in die Spermien und manipuliert ihr Schwimmverhalten. Außerdem treten Enzyme aus, die den Spermien eigentlich helfen sollen, die schützende Hülle der Eizelle zu durchdringen.
Spermien werden in die Irre geführt
Normalerweise werden die Spermien, was etwa das Schwimmverhalten angeht, durch weibliche Hormone im Eileiter der Frau gesteuert. Die Alltagschemikalien tricksen diese jedoch aus: Sie imitieren deren Wirkung und sorgen dafür, dass die Spermien weniger empfindlich auf diese Hormone reagieren.
Befruchtung wird wohl durcheinander gebracht
Die Ergebnisse der deutsch-dänischen Studie legen nahe, dass die „Störer des Hormonsystems“ den Befruchtungsvorgang durcheinander bringen: „Die Substanzen könnten die Navigation der Spermien hin zur Eizelle stören oder die Spermien daran hindern, die Eihülle zu durchdringen“, heißt es in der Mitteilung zur Studie.
EU-Kommission überprüft Richtlinien
Außerdem alarmierend: Die Wirkung der einzelnen Stoffe summiert sich. Die Forscher analysierten die Cocktails verschiedener hormonell wirksamer Stoffe, wobei die einzelnen Substanzen in geringer, kaum wirksamer Konzentration enthalten waren. Trotzdem hatte die gesamte Mischung große Auswirkungen auf die Spermien und ihren Kalzium-Haushalt.
Strengere Grenzwerte kontrovers diskutiert
Derzeit überprüft die EU-Kommission Richtlinien über Grenzwerte für hormonell wirksame Chemikalien. Im vergangenen Jahr diskutierten Hormonforscher und Toxikologen kontrovers, ob man die Verwendung dieser Substanzen weiter einschränken sollte. Der Studienleiter, Dr. Timo Strünker, betonte in einer Mitteilung des Forschungszentrums caesar: „Unsere Arbeit liefert nun wissenschaftliche Belege, die helfen, neue Richtlinien zu erarbeiten.” (rer)
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Konservierungsstoffe, UV-Blocker, Weichmacher und Co.:
Viele Alltagschemikalien beeinträchtigen die Spermienfunktion!
Hormonell wirksame Chemikalien (endocrine disrupting chemicals; „Störer des Hormonsystems“) beeinträchtigen die Funktion menschlicher Spermien und könnten mitverantwortlich sein für Fruchtbarkeitsstörungen, die in der westlichen Welt immer häufiger auftreten. Das sind die Ergebnisse einer deutsch-dänischen Forschergruppe des Center of Advanced European Studies and Research (Forschungszentrum caesar) in Bonn und des Rigshospitalet in Kopenhagen, die in der Fachzeitschrift EMBO reports veröffentlicht wurden.
Endocrine disrupting chemicals sind allgegenwärtig in Lebensmitteln, Plastikflaschen, Textilien, Haushaltsprodukten, Kosmetika und Spielzeug. Bisher konnte man die schädliche Wirkung der Substanzen auf den Menschen schwer nachweisen, da keine geeigneten Testsysteme existierten. Die Wissenschaftler entwickelten ein Verfahren, mit dem die Wirkung auf menschliche Spermien zuverlässig und schnell untersucht werden kann. In der Studie wurden rund 100 endocrine disrupting chemicals getestet. Etwa 30 davon stören den Kalzium-Haushalt der Spermien, darunter Bestandteile von Sonnenschutzmitteln wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), der Kunststoff-Weichmacher Di-n-butylphthalat (DnBP) sowie das antibakteriell wirkende Triclosan, das in Zahnpasta und Kosmetika enthalten ist.
Die Wissenschaftler untersuchten die Wechselwirkung zwischen den Substanzen und einem Ionenkanal (cation channel of sperm; CatSper), der die Kalzium-Konzentration in Spermien kontrolliert. Bei Konzentrationen, die man auch im menschlichen Körper findet, öffnen die Substanzen den CatSper-Kanal und Kalzium strömt in die Zelle. Dieser Eingriff in den Kalzium-Haushalt ändert das Schwimmverhalten der Spermien und führt dazu, dass Enzyme freigesetzt werden, die Spermien normalerweise helfen, die schützende Hülle der Eizelle zu durchdringen.
Das Schwimmverhalten und die Enzym-Freisetzung werden durch Progesteron und Prostaglandine gesteuert – weibliche Hormone im Eileiter. Die Alltagschemikalien imitieren die Wirkung von Progesteron und Prostaglandinen und führen dazu, dass Spermien weniger empfindlich auf diese Hormone reagieren. Die Ergebnisse der deutsch-dänischen Studie deuten darauf hin, dass die endocrine disrupting chemicals den Befruchtungsvorgang durcheinander bringen: Die Substanzen könnten die Navigation der Spermien hin zur Eizelle stören oder die Spermien daran hindern die Eihülle zu durchdringen.
Die Wissenschaftler untersuchten auch die Wirkung von endocrine disruptor-Cocktails, die verschiedene Substanzen in geringer, kaum wirksamer Konzentration enthalten; ähnliche Cocktails lassen sich im Blut nachweisen. Die Forscher beobachteten, dass die endocrine disruptor-Cocktails – trotz der kaum wirksamen Konzentrationen der einzelnen Komponenten- große Kalzium-Antworten in Spermien auslösten. Ein weiteres alarmierendes Ergebnis!
Die EU-Kommission überprüft derzeit Richtlinien über Grenzwerte für endocrine disrupting chemicals. Im vergangenen Jahr wurde die Frage, ob man die Verwendung dieser Substanzen weiter einschränken sollte, kontrovers zwischen Endokrinologen und Toxikologen diskutiert. „Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass eine Vielzahl weit verbreiteter Substanzen eine direkte Wirkung auf menschliche Spermien hat“, sagt Prof. Niels E. Skakkebaek, Leiter des dänischen Forscherteams vom Rigshospitalet in Kopenhagen. „Unsere Arbeit liefert nun wissenschaftliche Belege, die helfen, neue Richtlinien zu erarbeiten”, unterstreicht der Studienleiter Dr. Timo Strünker vom Forschungszentrum caesar in Bonn.
Kontakt
Dr. Timo Strünker (CatSper-Forschung)
Center of Advanced European Studies and Research
Ludwig-Erhard-Allee 2
53175 Bonn, Germany
Tel.: +49 228-9656-162
Fax: +49 228-9656-9162
timo.struenker(at)caesar.de
Prof. Niels E. Skakkebaek (Forschung über hormonell wirksame Chemikalien)
Department of Growth and Reproduction,
Copenhagen University Hospital, Rigshospitalet
Blegdamsvej 9, Section GR-5064
Copenhagen DK-2100, Dänemark
Tel: +45 35451362
Mobil: +45 22170528
Fax: +45 35456054
nes(at)rh.dk
Originalveröffentlichung
Schiffer, C., Müller, A., Egeberg, D. L., Alvarez, L., Brenker, C., Rehfeld, A., Frederiksen, H., Wäschle, B., Kaupp, U. B., Balbach, M., Wachten, D., Skakkebaek, N. E., Almstrup, K. & Strünker, T. „Directed action of endocrine disrupting chemicals on human sperm“ EMBO reports
DOI 10.1002/embr.201438869
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Quelle: https://www.caesar.de/index.php?id=1196&L=2
Gruß an die Chemiker, die den Genozid forcieren
TA KI