„Kommst du mit Englisch?“
Tom: „Matti, kommst du mit Englisch oder willst du hier hocken bleiben?“
Matthias: „Kein Bock, man. Ich wette, wenn ich Englischraum betrete, krieg ich Kopfschmerzen.“
Felix: „Du kriegst Durchfall, man.“
Tom: „Wenn du Englischraum betrittst, kriegt Frau M. Durchfall.“
Felix: „Komm jetzt. Wenn ich dieses Jahr wieder so oft zu spät komme, darf ich nicht mehr Basketball.“
Dabei hat Kiezdeutsch weder in Berlin noch in anderen deutschen Städten automatisch etwas mit Migration zu tun. Das hat jüngst die Berliner Soziolinguistin Diana Marossek in ihrer Doktorarbeit belegt, die nun für den Deutschen Studienpreis nominiert ist. Marossek, die in Berlin einen Kinderbuchverlag leitet, war dafür ein Jahr lang in 30 Berliner Schulen zu Gast. Als Referendarin getarnt saß sie hinten im Klassenzimmer. Von ihrer Sprachforschung ahnten die Schüler nichts.
In allen Berliner Bezirken hörte die Doktorandin zu, wie insgesamt rund 1400 Acht- und Zehntklässler miteinander redeten. Sie notierte zum Beispiel, wie oft Teenager mit Deutsch als Muttersprache „zum“ oder „beim“ wegließen. Ob im tiefbürgerlichen Zehlendorf oder in den Migrantenvierteln Neuköllns – sie fand keine großen Unterschiede. Überall fielen Sätze wie „Kommst du mit Klo?“ oder „Ich war Fußball“.
„Auf das Thema Kiezdeutsch bin ich gekommen, als ich gehört habe, wie seltsam meine jüngere Schwester und ihre Freunde miteinander geredet haben“, erinnert sich die Linguistin. „Heute weiß ich, dass es auch die Sprache von Schülern ohne Migrationshintergrund ist.“
Auch das Berlinerische lässt Artikel weg
Nur von türkischen Klassenkameraden hätten diese Teenager ihr Kiezdeutsch dabei nicht abgekupfert, ist Marossek überzeugt. Denn auch die „Berliner Schnauze“ liebe das Verkürzen und Weglassen von Artikeln und Präpositionen. „Auf Schicht sein“ kennt aber auch das Ruhrgebiets-Deutsch. Dort sind Grammatikkonstruktionen wie „Tu ma die Mama winken“ oder „Meine Oma ihre Tasche“ nicht nur ein Fall fürs Kabarett. Für Marossek haben sich damit zwei ähnliche Trends – deutsche Dialektgrammatik und Übernahmen aus der Muttersprache von Migranten – gefunden und verbunden.
„Kiezdeutsch verstärkt, was ohnehin schon da war“, sagt auch Forscherin Heike Wiese. Im gesprochenen Deutsch gebe es schon seit Langem den Trend, Artikel und Präpositionen zu verkürzen oder wegzulassen. „Darüber haben sich die Leute schon in den 1930er-Jahren aufgeregt“, sagt sie. Gebremst hat das die Entwicklung nicht. Mit Bildung hat es auch nichts zu tun. Haltestellen-Sprache wie „Ich bin jetzt Zoo“ brüllen in der U-Bahn und S-Bahn auch Akademiker ungeniert in ihr Handy.
Kiezdeutsch könnte neue Umgangssprache werden
Und es gibt noch eine Erkenntnis. Heike Wiese geht davon aus, dass der Einfluss des Türkischen auf das Deutsche weit weniger stark ist als umgekehrt. Wissenschaftler beobachteten seit einer Weile, dass sich in Deutschland das Türkische stark verändert – es übernehme deutsche Ausdrücke und auch Konstruktionen aus der deutschen Grammatik, berichtet sie. Einfluss hier, Einfluss dort: Diana Marossek geht davon aus, dass Sätze wie „Gehst du Bus oder bist du mit Auto?“ in Zukunft zur ganz normalen Hauptstadtsprache gehören werden.
Forscherin Wiese meint, Kiezdeutsch stehe bei vielen Jugendlichen für das entspannte Plaudern unter Freunden – und manchmal auch für Provokation. Schüler wüssten dabei meist genau, wie ein Satz im Standard-Deutsch laute. Das glaubt Diana Marossek nicht. „Am Gymnasium ja, aber an anderen Schulen war ich mir da nicht immer sicher“, sagt sie.
Doch selbst Lehrer, die sich zuerst über Kiezdeutsch amüsierten, hätten später unwillkürlich Artikel weggelassen. Dazu gibt es Kostproben in der Doktorarbeit. Schüler Sebastian sagt: „Ich brauche Locher!“ Und seine Lehrerin antwortet: „Ist Locher nicht vorne drin?“
Quelle: http://www.welt.de/vermischtes/article129589372/Gehst-du-Bus-Kiezdeutsch-gibts-bald-ohne-Kiez.html
Gruß an die Sprachverunstalter
(*)….Ghetto schreibt man immernoch mit „h“!!!
TA KI