Sprachmix der 3. Generation: Deutsche Jugendliche sprechen jetzt türkischen Slang


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Jugendjargon verbindet – da ist es egal, woher die Ausdrücke ursprünglich kommen. Eine gemeinsame „Multi-Kulti-Sprache“ ist ein Zeichen für gelungene Integration. Das haben Wissenschaftler der Universität Potsdam herausgefunden.

„Valla“ (ehrlich), „lan“, (Typ): Worte aus dem Sprachwortschatz türkischer Jugendlicher sind jetzt immer häufiger aus dem Mund ihrer deutschen Altersgenossen zu hören. Immer mehr deutsch-sprachige Jugendliche haben sich bei ihren Kumpeln aus der dritten Generation der türkischen Einwanderer Slang-Ausdrücke abgeguckt und bauen sie in ihren tägliche Sprachgebrauch ein. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Potsdam. (Forscher hatten kürzlich herausgefunden, dass die türkische Sprache eine besondere Herausforderung für das Gehirn darstellt, mehr hier)

Für ihre Untersuchung zeichneten die Forscher Gespräche von insgesamt 48 Stunden zwischen 14-18-jährigen Teenagern auf und untersuchten, inwiefern türkische Wörter in die deutsche Sprache integriert werden. Die Verschmelzung der beiden Sprachen wurde auch hinsichtlich ihrer regionalen Verteilung untersucht. Das Ergebnis: Am häufigsten fließen türkische Jugendausdrücke in die deutsche Sprache in Berlin.

Professor Heike Wiese, Leiterin der Studie ist der Meinung, aus der linguistischen Verwendung der türkischen Ausdrücke entwickle sich nicht etwa ein neuer Dialekt. Vielmehr sei sie Ausdruck einer erfolgreichen Integration von verschiedenen Gesellschaftsgruppen.

Quelle: http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2015/05/512296/sprachmix-der-3-generation-deutsche-jugendliche-sprechen-jetzt-tuerkischen-slang-2/

Heike Wiese:

heike wieseheike wiese 2http://www.uni-potsdam.de/dspdg/pers/wiese.html

 

Gruß an die Professoren…
TA KI

„Gehst du Bus?“ Kiezdeutsch gibt’s bald ohne Kiez


„Kommst du mit Klo?“ oder „Ich war Fußball“ – solche Sätze sind an manchen Berliner Schulen Alltag. Eine neue Umgangssprache entsteht, sagen Sprachforscher und glauben: Bald könnten wir alle so reden.

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Der neue Sprachtrend bei Jugendlichen klingt noch gewöhnungsbedürftig. „Ich komm mit Fahrradmahrrad“ oder „Ich bring Colamola“. Das heißt so viel wie: Ich komme mit dem Fahrrad. Und ich bringe dann auch Cola mit, erklärt Heike Wiese, Sprachwissenschaftlerin an der Universität Potsdam.

Ihre Germanistikstudenten haben Teenagern diese Sätze in türkisch geprägten Stadtvierteln Berlins abgelauscht. Das spielerische Wiederholen eines Wortes mit einem „m“ davor habe seinen Ursprung im Türkischen, ergänzt Wiese. Für sie sind die Jugendlichen in Berlins Migrantenvierteln wie Kreuzberg und Wedding sprachlich sehr kreativ.

Die Meinungen über das „Kiezdeutsch“ (Kieze nennt man in Berlin einzelne Stadtviertel), das bei mehrsprachigen Jugendlichen besonders dynamisch und wandlungsfähig ist, gehen aber noch immer weit auseinander. Als Wiese vor zwei Jahren ein Buch zur Dialektgrammatik in Kreuzberg veröffentlichte und Sätze wie „Machst du rote Ampel?“ nicht verwerflich, sondern eher innovativ fand, kochte die Volksseele hoch. Gelegt haben sich die Anfeindungen immer noch nicht ganz, berichtet sie. „Sprache ist wohl einer der wenigen Bereiche, in dem man noch offen rassistisch sein kann.“ Gettosprech (*)oder Türkendeutsch sind dann noch die netteren Bezeichnungen.

Kiezdeutsch sprechen nicht nur Migranten

„Verstehst du Text, man?“

Ali: „Verstehst du Text, man?“

Marco: „Klar, man, is doch leicht: Typ geht Wasser und is tot. Seine Alte is traurig.“

Ali: „Aber wieso geht er denn Wasser? Hast du Essen?“

Marco: „Nee, aber ich gehe dann Döner.“

 

„Kommt jemand mit Klo?“

Pascal: „Alter, lass mal noch schnell rauchen.“

Mike: „Ich muss erst Späti Kippen holen.“

Melanie: „Kommt jemand mit Klo?“

 

„Ich gehe Hartz-IV-Amt.“

Ali: „Ich mache ein Praktikum als Krankenpfleger.“

Nimed: „Das ist aber Mädchenberuf.“

Ali: „Quatsch nich, gibs auch Männer, du Quatschkopp.“

Nimed: „Spast, Alter!“

Lehrer: „Benehmt euch!“

Ali: „Er hat doch angefangen, der Kunde, Alter.“

Lehrer: „Nimed, erzähl uns doch mal, was du machst!“

Nimed: „Ich gehe Hartz-IV-Amt. Nein, quatsch, ich gehe nicht Hartz IV-Amt. Ich versuche Kaufmann in‘ Einzelhandel.“

 

„Kommst du mit Englisch?“

Tom: „Matti, kommst du mit Englisch oder willst du hier hocken bleiben?“

Matthias: „Kein Bock, man. Ich wette, wenn ich Englischraum betrete, krieg ich Kopfschmerzen.“

Felix: „Du kriegst Durchfall, man.“

Tom: „Wenn du Englischraum betrittst, kriegt Frau M. Durchfall.“

Felix: „Komm jetzt. Wenn ich dieses Jahr wieder so oft zu spät komme, darf ich nicht mehr Basketball.“

 

Dabei hat Kiezdeutsch weder in Berlin noch in anderen deutschen Städten automatisch etwas mit Migration zu tun. Das hat jüngst die Berliner Soziolinguistin Diana Marossek in ihrer Doktorarbeit belegt, die nun für den Deutschen Studienpreis nominiert ist. Marossek, die in Berlin einen Kinderbuchverlag leitet, war dafür ein Jahr lang in 30 Berliner Schulen zu Gast. Als Referendarin getarnt saß sie hinten im Klassenzimmer. Von ihrer Sprachforschung ahnten die Schüler nichts.

In allen Berliner Bezirken hörte die Doktorandin zu, wie insgesamt rund 1400 Acht- und Zehntklässler miteinander redeten. Sie notierte zum Beispiel, wie oft Teenager mit Deutsch als Muttersprache „zum“ oder „beim“ wegließen. Ob im tiefbürgerlichen Zehlendorf oder in den Migrantenvierteln Neuköllns – sie fand keine großen Unterschiede. Überall fielen Sätze wie „Kommst du mit Klo?“ oder „Ich war Fußball“.

„Auf das Thema Kiezdeutsch bin ich gekommen, als ich gehört habe, wie seltsam meine jüngere Schwester und ihre Freunde miteinander geredet haben“, erinnert sich die Linguistin. „Heute weiß ich, dass es auch die Sprache von Schülern ohne Migrationshintergrund ist.“

Auch das Berlinerische lässt Artikel weg

 

Nur von türkischen Klassenkameraden hätten diese Teenager ihr Kiezdeutsch dabei nicht abgekupfert, ist Marossek überzeugt. Denn auch die „Berliner Schnauze“ liebe das Verkürzen und Weglassen von Artikeln und Präpositionen. „Auf Schicht sein“ kennt aber auch das Ruhrgebiets-Deutsch. Dort sind Grammatikkonstruktionen wie „Tu ma die Mama winken“ oder „Meine Oma ihre Tasche“ nicht nur ein Fall fürs Kabarett. Für Marossek haben sich damit zwei ähnliche Trends – deutsche Dialektgrammatik und Übernahmen aus der Muttersprache von Migranten – gefunden und verbunden.

„Kiezdeutsch verstärkt, was ohnehin schon da war“, sagt auch Forscherin Heike Wiese. Im gesprochenen Deutsch gebe es schon seit Langem den Trend, Artikel und Präpositionen zu verkürzen oder wegzulassen. „Darüber haben sich die Leute schon in den 1930er-Jahren aufgeregt“, sagt sie. Gebremst hat das die Entwicklung nicht. Mit Bildung hat es auch nichts zu tun. Haltestellen-Sprache wie „Ich bin jetzt Zoo“ brüllen in der U-Bahn und S-Bahn auch Akademiker ungeniert in ihr Handy.

Kiezdeutsch könnte neue Umgangssprache werden

 

Und es gibt noch eine Erkenntnis. Heike Wiese geht davon aus, dass der Einfluss des Türkischen auf das Deutsche weit weniger stark ist als umgekehrt. Wissenschaftler beobachteten seit einer Weile, dass sich in Deutschland das Türkische stark verändert – es übernehme deutsche Ausdrücke und auch Konstruktionen aus der deutschen Grammatik, berichtet sie. Einfluss hier, Einfluss dort: Diana Marossek geht davon aus, dass Sätze wie „Gehst du Bus oder bist du mit Auto?“ in Zukunft zur ganz normalen Hauptstadtsprache gehören werden.

Forscherin Wiese meint, Kiezdeutsch stehe bei vielen Jugendlichen für das entspannte Plaudern unter Freunden – und manchmal auch für Provokation. Schüler wüssten dabei meist genau, wie ein Satz im Standard-Deutsch laute. Das glaubt Diana Marossek nicht. „Am Gymnasium ja, aber an anderen Schulen war ich mir da nicht immer sicher“, sagt sie.

Doch selbst Lehrer, die sich zuerst über Kiezdeutsch amüsierten, hätten später unwillkürlich Artikel weggelassen. Dazu gibt es Kostproben in der Doktorarbeit. Schüler Sebastian sagt: „Ich brauche Locher!“ Und seine Lehrerin antwortet: „Ist Locher nicht vorne drin?“

Quelle: http://www.welt.de/vermischtes/article129589372/Gehst-du-Bus-Kiezdeutsch-gibts-bald-ohne-Kiez.html

Gruß an die Sprachverunstalter

(*)….Ghetto schreibt man immernoch mit „h“!!!

TA KI