Symbole schreiben Urgeschichte 1 von 2


Was  heißt ›Urgeschichte‹

»Die Urgeschichte (Synonyme: Vorgeschichte oder Prähistorie) ist ein Teilgebiet der archäologischen Disziplin Ur- und Frühgeschichte. Die Urgeschichte bezeichnet die älteste Periode der Menschheitsgeschichte. Sie erstreckt sich vom Auftreten der ersten Steinwerkzeuge vor etwa 2,5 Millionen Jahren (vgl. Stammesgeschichte des Menschen) bis zum regional sehr unterschiedlichen Auftreten von Schriftzeugnissen. Die Erforschung dieser Epoche ist Sache der Archäologie und ihrer Hilfswissenschaften.« (Wikipedia)

Die Urgeschichte ist eine schriftlose Zeit; jedoch eine kreative Epoche der Zeichen und Symbole. »Auf der Basis der jungpaläolithischen und neolithischen Tradition haben die frühen Hochkulturen die Symbole des Kreislaufs von Leben, Tod und Wiedergeburt mit Hilfe kostbarsten Materials und perfektem handwerklichem Können zur Vollendung gebracht. Es gibt kaum eine Geste, kein Ornament, kein Gestirn-, Tier- oder Pflanzenmotiv, das nicht einen kosmisch-symbolischen Bezug hätte, das nicht verbunden wäre mit göttlichen Gestalten. So hat die matrizentrische Kultur der Menschheit einen nicht wegzudenkenden Schatz an emotionalen und religiösen Symbolen Symbolen geschenkt, von dem alle späteren patriarchalischen Kulturen bis heute zehren.« (Carola Meier-Seethaler ›Hochkulturen der Göttin – durch Vatergötter gestürzt‹ in ›Chronik der Frauen‹ 1992, S. 62)

Das Symbol erfasst in einem Blick das Ganze (Friedrich Creuzer, 1771 – 1858)

Das Problem der Wissenschaftler ist und bleibt, dass die Erforschung der geometrischen Zeichen, Symbole und  Mythen der Urzeit in eine für das Patriarchat problematische und abgelehnte Richtung führt, die es möglichst zu verheimlichen gilt: die ausgeprägt weibliche – ›nicht-herr-schaftliche‹, gewaltfreie – Dominanz der Symbole und ihre wissenschaftliche, religiöse und politische Brisanz.

Symbole – die Bildsprache der Steinzeit – wurde erst ansatzweise entziffert

Symbole sind die kreative geistige Leistung der Menschen der Altsteinzeit. Sie dienten – wie dies Marija Gimbutas in der ›Sprache der Göttin‹ nachweist – als ›Schrift‹; es sind ›Hierogramme‹, heilige Zeichen und Ausdruck des Religiösen, welches nicht vom Profanen, dem Irdischen, dem täglichen Leben und dem leiblichen Sein getrennt war. Nicht erst die Kunst der letzten 40’000 Jahre, die u.a. durch die beeindruckenden Höhlenmalereien bekannt geworden ist, bezeugt die künstlerische Meisterschaft der Menschen der Urgeschichte. Die Fähigkeit zur Abstraktion und zur Schaffung von Symbolen ist wesentlich älter. »Vor der Kunst erschuf der Mensch das Symbol« schreibt der Kunsthistoriker und Symbolforscher Siegfried Giedion in seiner umfassenden Darstellung der urgeschichtlichen Kunst (›Ewige Gegenwart – Die Entstehung der Kunst‹ 1964)

In der Symbolik ist nichts zufällig oder unwesentlich, nichts daran ist oberflächlich oder banal, immer verbirgt sich hinter der Abstraktion eine tiefgründige Bedeutung, die sich aber dem gewohnten Blick und dem voreingenommenen – in der heutigen Zeit verhafteten – Denken nicht leicht zu erkennen gibt. Symbole sind oft verschlüsselt, von außerordentlicher Kraft und Magie, komplex und geheimnisvoll und der Interpretation meist schwer zugänglich. Jedoch mit einer Ausnahme: Die Symbole für das Weibliche sind meistens anschaulich, einfach, klar und eindeutig.

»Das Symbol«, so konstatierte der französische Psychologe Théodule Ribot bereits 1915 in der ›Revue philosophique‹ »hatte sein goldenes Zeitalter in der prähistorischen Periode. Seitdem wurde es zurückgedrängt und unter dem Druck des antagonistischen, rationalen Denkens geschwächt, das – verstärkt durch Erfahrung und Vernunft – stetig zunahm. Die raison d’être der Symbolisierung besteht in dem menschlichen Verlangen darzustellen, was im Grunde nicht darstellbar ist« (zit. von Giedion ibd. 1964, S. 77).
Die geistigen und künstlerischen Fähigkeiten der urgeschichtlichen Menschen werden von der patriarchalen Wissenschaft drastisch unterschätzt, verzerrt und verfälscht und ihre Erforschung vernachlässigt. Das westliche Denken ist heute ganz und gar an der Ratio, am Verstand und am Fortschrittsglauben des Mannes orientiert; am wahnhaften Wachstum alles Materiellen – um jeden Preis. »Es wird behauptet, dass die Entwicklung beim »ungeistigen Frühmenschen zum logisch denkenden Vollmenschen ansetzte« (Marie E.P. König ›Am Anfang der Kultur – Zur Zeichensprache des frühen Menschen 1973, S. 12). Diese völlig falsche Prämisse beeinflusste, ja bestimmte, die gesamte Urgeschichtsforschung und wurde bis heute kaum korrigiert. Doch:

»Offensichtlich sind es die weiblich geprägten Frühkulturen, die ein Höchstmaß an Kreativität zur Bildung sinnhaltiger Symbole entwickelten. Ohne dieses Erbe besäßen wir nur einen Bruchteil unserer ornamentalen und architektonischen Formen, unserer mythischen Bilder, Sakramente und Feste.« (Carola Meier-Seethaler ›Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht: Ursprung und Wandel großer Symbole‹ 1993, S.12)

Die wissenschaftliche Anerkennung dieser Tatsache fehlt in weiten Kreisen, was Giedion ebenfalls bemerkt, er schreibt: »Leider ist die Anwendung rein rationaler Methoden auf dem Gebiet der Ur- und Vorgeschichte bei aller Wünschbarkeit der Präzision nicht möglich, denn sehr oft liegt das Wesentliche in der Vieldeutigkeit der Erscheinungen und Symbole verankert. Heute, da die Frage nach der inneren Bedeutung der Erscheinungen langsam in den Vordergrund tritt, wo Geschichte viel mehr als menschliches Schicksal, als eine Reihenfolge von Geschehen aufgefasst wird, fehlt uns für den Unterbau das nötige wissenschaftliche Material. Die Symbolforschung weist seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts keine Kontinuität auf.« (Giedion 1964, S. 74)
Zur Symbolik des Alten Europa schreibt Marija Gimbutas, dass die für eine Untersuchung verfügbaren Zeugnisse so zahlreich sind, »dass das bisherige Desinteresse daran mehr als erstaunlich ist. In dem reichhaltigen Fundmaterial ist die Kollektion an Kultgefäßen und anderen mit Symbolen markierten Objekten besonders umfassend. Die Figurinen, die kleinen Skulpturen, die in großer Zahl an fast allen neolithischen Siedlungen und Begräbnisstätten gefunden wurden, sind von unschätzbarem Wert für die Rekonstruktion nicht nur der religiösen Symbolik, sondern auch der Religion selbst.« (Gimbutas ›Sprache‹ 1995, S. XVI)
Das Patriarchat hat selbstverständlich kein Interesse daran, die weibliche Religion zu erforschen. Andere Gründe für die erstaunliche Vernachlässigung der Symbolforschung liegen auch in der Verketzerung als ›nicht-wissenschaftliche Disziplin‹ einerseits, in der Dominanz der Naturwissenschaften und der philologischen (Sprach- und Literatur-) Forschung anderseits. Ein weiterer Grund kann in der materialistischen Geschichtsauffassung vermutet werden. »Zu lange galt das Verlangen, Mythen und Symbole zu deuten als unvereinbar mit der Würde eines ernsthaften Forschers. Sein Ethos gründete sich auf »unbeeinflussbarer Wahrheitsliebe und uninteressierter Hingabe an alle Probleme der Antike«, schreibt Giedion weiter. »Diese Auffassung ist der Grund, warum die Untersuchung der Symbole mehr als ein Jahrhundert unterdrückt wurde. Diese Konzeption brachte es mit sich, alle Versuche zu verneinen und ihre Anhänger unmöglich zu machen« (E. Howald, 1926, S. 23, zit. von Giedion 1964, S. 73f.). Die Symbolforschung wurde von der patriarchalen Lehre – ähnlich wie heute die Matriarchatsforschung – nicht als ernst zu nehmende Wissenschaft akzeptiert. Dabei wäre gerade dieser Forschungszweig erhellend für die Urgeschichtsforschung. Doch Wissenschaftler verschiedener Provenienz wissen oder ahnen es zumindest, die Erforschung der Symbolik der Urzeit bringt für viele ganz und gar unerwünschte Resultate ans Licht, welche die Grundfesten des Patriarchats und die Überzeugungen patriarchaler Forscher und Denker erschüttern, ja ad absurdum führen würden. Denn:

»Die Vormachtstellung der Frau ist unverkennbar, obgleich sich nirgendwo Herrschaft, immer nur natürliche Dominanz ausdrückt.« (Helmut Uhlig)

Mysteriöse Zeichen in Höhlenmalereien

»In zahlreichen, bis zu 30’000 Jahre alten Höhlenmalereien finden sich Zeichen, die offenbar über weite Regionen Südeuropas [ja der ganzen Welt], verbreitet waren – womöglich ein Wendepunkt für die Kulturen dieser Epoche.
Nur wenige Wissenschaftler haben sich bislang ernsthaft mit den relativ kleinen und unauffälligen Zeichen im Umfeld der Höhlengemälde befasst. Genevieve von Petzinger von der University of Victoria im kanadischen British Columbia legte nun zusammen mit April Nowell eine neue Vergleichsstudie vor. Von Petzinger erfasste hierbei alle [ca. 5000 meist geometrische und lineare Zeichen von Strichen, Punkten, Kringeln usw.] aus 146 französischen Höhlen in einer Datenbank, die den Zeitraum von 35’000 bis 10’000 Jahren vor unserer Zeit abdeckt. Resümee der Anthropologin: ›Die unglaubliche Vielfalt und der durchgängige Gebrauch der Zeichen legen nahe, dass die symbolische Revolution schon vor der Ankunft der ersten modernen Menschen in Europa begonnen hatte‹.« ( Spektrum der Wissenschaft, Februar 2011)

Steinzeit Grafitti nach Genevieve von Petzinger und April Nowell (Spektrum)

»Die französischen Höhlen sind für prähistorische Felsenkunst berühmt. Um die archaischen Gemälde herum untersuchten Archäologen 26 Symbole, die an zahlreichen Stätten auftauchten – über Zeiträume von 25′ooo Jahren hinweg.« (Spektrum der Wissenschaft, Februar 2011) Petzinger und Nowell waren erstaunt über das klare Muster der 26 Symbole über alle geografischen Räume und Zeiten hinweg; einige der Höhlen wurden während 20’000-25’000 Jahren benutzt. Die 26 Zeichen könnten früheste Spuren eines grafischen Codes darstellen, welche diese Menschen kurz nach ihrem Eintreffen aus Afrika schufen oder von dort mitbrachten. Sollte dies zutreffen würde dies darauf hinweisen, dass Kunst schon zehntausende Jahre früher als bisher vermutet, entstand. Die beiden Wissenschaftlerinnen versuchen nun die Bedeutung der Symbole zu erforschen.

›Jeder kreative Wissenschaftler ist auf die Intuition angewiesen‹, sagte der Quantenphysiker und Träger des Alternativen Nobelpreises, Professor Dr. Hans-Peter Dürr: ›Viele glauben, sie überlegen sich etwas mit dem Verstand, aber da kommt nicht wirklich was Neues heraus.‹

Das Primat weiblicher Symbole in der Urzeit

Die Dominanz weiblicher Symbole der Urzeit ist eindeutig und offensichtlich. Wo dies nicht geleugnet oder ignoriert werden kann, werden die Zeichen oft als ›rational unerklärbar‹ oder sogar als ›Pornographie‹ gedeutet. Giedion betont ebenfalls, dass rationales, einseitig männliches Denken nicht genüge, um die Symbolsprache vergangener Kulturen zu erforschen und zu verstehen, es brauche ebenso die Intuition. Das Zusammenbringen von Intellekt und Intuition scheine jedoch Frauen näher, als das von Männern bevorzugte einseitig rationale Denken.
Frauen wurden lange an der höheren Bildung gehindert und von Wissenschaft und Forschung fern gehalten und dies bis Ende des 19. Jahrhunderts. Bildungsmäßig hatten Frauen ein enormes Defizit. Doch sie begannen, sich gegen die ihnen aufgezwungene Benachteiligung zu wehren, forderten immer lauter Gleichberechtigung in Bildungsfragen, was aber erst nach dem Ende des 1. Weltkrieges in breiteren Kreisen erreicht wurde. Dann aber setzten sie zum Überholsprung an. Was Frauen in wenigen Jahrzehnten in Wissenschaft und Forschung geleistet haben, ist, trotz aller Widerstände der universitären männlichen Autoritäten und jenen nicht minder gebieterischen Vertretern der patriarchalen Religionen, immens. Eines ihrer bevorzugten Gebiete war und ist die Suche nach den Möglichkeiten einer ›anderen, einer besseren Welt‹ für sich und ihre Kinder, als die patriarchale Welt der Machtmenschen, mit ihrer Anfälligkeit für Eitelkeiten, Korruption und Ausbeutung, ihrer Grausamkeit, Härte und Gewalt. Die Suche führt weit zurück in die matriarchale Urzeit und ihre Symbole und zu den Anfängen der menschenverachtenden geschichtlichen Zeit des Patriarchats.

»Die ägyptische Vorge­schichtsfor­schung war und ist nicht popu­lär«, stellte Heide Streiter-Buscher lakonisch fest. Der Ägyptologe und Urgeschichtsforscher Michael A. Hoffman bedauert, dass zwar zahl­reiche archäologische Funde aus dem Niltal zur Verfügung stehen würden, jedoch noch keine um­fassende Darstel­lung der Urgeschichte erarbeitet worden ist (›Egypt before the Pharaos‹1980, S. xiii).
Im 6-bändi­gen ›Lexikon der Ägyptologie‹ von 1977 sind der ›Vor- und Frühge­schich­te‹ von insge­samt 7838 Sei­ten ganze sie­beneinhalb Seiten gewid­met. Dazu steht im Vorwort: »Wenn auf der einen Seite die Vorge­schichte nicht überse­hen werden durfte, konnte sie auf der an­deren nicht so aus­führlich be­handelt wer­den, wie es ihr als Teil einer mensch­heitsge­schichtlichen Epoche zu­kommt« (Wolfgang Helck/Eberhard Otto, LÄ, 1975, I, S. V). Eine Begründung fehlt. Doch die Gründe sind eindeutig: »Es ist natürlich viel einfacher, nur die ›Fakten‹ zu studieren, ohne nach den Hintergedanken zu forschen, was den intern so genannten Positivisten, die heute Urgeschichtsforschung noch bestimmen, ein größtmöglicher Gräuel ist.« (Marie König in ›Weib und Macht‹ Fünf Millionen Jahre Urgeschichte der Frau‹1973, S. 130). Dies betrifft auch einen anderen Grund: Die Ägyptologie Deutschlands ist eine zutiefst von patriarchalem Denken, von faschistischer und judeo-christlicher Indoktrinierung durchtränkte, extrem ›verschlossene Wissenschaft‹ (s. ›Ägyptologie, Religion und Faschismus‹)
Der Grund liegt in der brutalen Vergangenheit von Faschismus, Krieg und Judenmord. In Deutschland »hinterließ die Erfahrung einer von den Nationalsozialisten instrumentalisierten Kulturwissenschaft Spuren. Die Angst vor Aussagen, die politischen Charakter haben könnten, führte besonders in der Ur- und Frühgeschichte zu einem Rückzug auf das Sammeln von Daten. Theorie wurde zu einem gemiedenen Terrain. Dementsprechend werden theoretische Entwicklungen, die die Archäologie der englischsprachigen Länder in ganz neue Bahnen gelenkt haben, hierzulande mit größter Zurückhaltung, wenn nicht gar mit pauschaler Ablehnung rezipiert«, stellt Reinhard Bernbeck fest (›Theorien in der Archäologie‹ 1997, S. 33 f.). Außerdem »sind die universitären Strukturen in Deutschland einer theoretischen Offenheit hinderlich.« (ibd. S. 34) Verschlossen ist die Ägyptologie auch gegenüber der Intuition, ja für ihre völlige Ablehnung. Doch wie sagte Albert Einstein:

›Was wirklich zählt ist Intuition!‹

Die Erforschung der ungeliebten Ur-Geschichte und die in ihr sichtbaren Ur-Symbole benötigen Verstand und Intuition.

Die heiligsten aller Ursymbole: Die Symbole der weiblichen Schöpfungskraft

Der Kuhkopf – Symbol des Uterus

Das Uterus-Symbol ist ein Aspekt der ›Roten‹ Göttin – in Ägypten der Großen Göttin I-Seth/Isis – und der menstruierenden Frau, die fähig ist, schwanger zu werden und zu gebären. Sie steht deshalb mit dem Mond, dem weiblichen Mondkalender und dem weiblichen Dreieck in Verbindung. Solche Darstellungen fand man in großer Zahl bereits bei den Grabungen in der südwestlichen Türkei. James Mellaart, der Ausgräber von Çatal Hüyük und Hacilar bezeichnete die auffallenden Rinderschädel (Bukranien) mit echten Hörnern als ›Stierköpfe‹. Dorothy Cameron fand jedoch heraus, dass Bukranien weiblich sind und als Symbole für die weiblichen Schöpfungsorgane stehen. Damit sind die Rinderschädel in der matriarchalen Urgeschichte völlig anders zu interpretieren als es Wissenschaftler tun, welche die Rinderschädel gerne als ›Stierköpfe‹ bezeichnen. Der Stier kann jedoch niemals ein Symbol für den Uterus sein. (Das weibliche Rind wird nach dem ersten Kalben als Kuh bezeichnet). Bukranien als Symbol der Kuhgöttin waren ausschließlich mit dem Kult der Mondgöttin verbunden; »die Hörner des Altars waren gewöhnlich an den Kultbildern der Kuhgöttin Hera, Astarte, Io, Isis oder Hathor angebracht« (Ranke-Graves 1986, S. 200).

Bukranien am Verwalungssitz der Königin Merit-Neith in Sakkara

Das Symbol der Kuh vertritt neben dem Uterus auch die Nährende, die milchgebende Mutter und noch ein anderes typisch matriarchales Merkmal: Jede Rinderherde ist ein soziales Gebilde – das wie bei den Elefanten – von der ältesten, erfahrensten und weisesten Leitkuh geführt wird, welche die Herde lenkt. Sie ist die Königin der Herde. Als Kuh-Göttin symbolisiert sie die Matriarchin und die Königin.
Wie in Sakkara wurden auch anderenorts Anzeichen der Verehrung von Tierschädeln gefunden, zum Beispiel in der Nähe von Hamburg, im Stellmoor–Ahrensburg. A. Rust fand hier einen Holzpfahl, mit dem Rentierschädel eines alten, weiblichen Rentiers aus der Zeit um 8000. Auch hier geht es eindeutig um die Darstellung des Uterus und der Eileiter, wie beim Bukranion. (Abb.  unten nach S. Giedion 1964, S. 213)

Rentierschädel auf Pfahl Giedion

 

 

Rechts: Palette der Kuh- und Sternengöttin aus dem ägyptischen Neolithikum, daneben eine wissenschaftlich-medizinische Zeichnung des Uterus, der Eileiter und der Ovarien. (D. Wolf 2009, S. 257)

Die Ähnlichkeit des Bukranions mit dem Uterus und den ohrenförmigen Ovarien ist frappierend. Beidseitig des Uterus steigen die hörnerartigen Eileiter zu den Eierstöcken, wo die Eizelle produziert wird. Der gehörnte Kuhkopf steht damit als Symbol des ›gehörnten‹ Uterus eindeutig für das Leben schenkende Weibliche, für Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Geburt. Der älteste Nachweis für die Verehrung des Uterus in Ägypten ist das von Christiane Desroches Noblecourt im Tal der Königinnen dokumentierte ›Uterus-Heiligtum‹ aus dem Neolithikum oder (vielleicht schon) aus der Mittelsteinzeit. (›Les Dossiers d’Archéologie›, 149-150,1990, s. D. Wolf 2009, S. 74 und ›Höhlenheiligtümer und die verschollene Religion der Göttin‹).

Der Stier – nicht der Stierkopf – wurde zum Sinnbild männlicher Potenz und das erst nachdem die indo-arischen Rinderzüchter die Rolle des männlichen Tieres bei der Zeugung verstanden hatten. Folgerichtig schlossen die Männer aus ihrer Erkenntnis auf ihren eigenen Beitrag bei der Zeugung von Nachkommen und ihre eigene ›Wichtigkeit‹. Das war wahrscheinlich erst im 5. oder 4. Jahrtausend der Fall; davor war die Vaterschaft unbekannt und unwichtig.

Sie entdeckten die Vaterschaft und erfanden den Kult der Väter, das Patriarchat. Im Überschwang ihrer Entdeckung begannen erste patriarchale Männer sich einzubilden, sie seien nicht nur Beteiligte, sondern die eigentlichen Schöpfer der Nachkommen, ja der Welt. Und – deshalb seien sie den Frauen weit überlegen! Sie begannen die Frauen zu diffamieren und zu unterdrücken, die friedlichen matriarchalen Völker zu überfallen und über sie zu herrschen, z.B. Mesopotamien, Ägypten, Indien mit dem Industal, Alt-Iran, Alt-Europa usw.

Das Patriarchat übernahm das Symbol und Zeus vermännlichte das weibliche Bukranion zum Stierkopf, aus dem er die Göttin Athene ›gebar‹. Doch eine Stier- oder Widder-Verehrung machte vor der Entdeckung der Vaterschaft keinen Sinn.

Nach der Eroberung Ägyptens nannten sich die indoeuropäisch/arischen Häuptlinge ›Chef‹ Chef-u (Cheops), Chef-re, Chaef-Snofru, An-Chef, Shepses-Chef, User-Chaf etc. und – ›Starker Stier‹.

Stier mit Blesse1Sie verehrten den Apis-Stier, den ›Stier des Himmels‹. Er war der Gott der Zeugungskraft und eine Erscheinungsform des durch und durch indoeuropäischen Pitar, der in Ägypten als Vater-Gott Ptah auftrat. Der Apis­-Stier wurde nach besonderen Merkmalen ausgewählt: Genau wie das horitisch/hurritisch/hethitische Stierpaar ›Hurri‹ und ›Cheri‹ wurde auch der ägyptische Apis­-Stier nach besonderen Erkennungszeichen selektiert  und die waren bei den indoeuropäischen Horitern/Hetithern und in Ägypten die gleichen: eine Blesse in Form ei­nes Dreiecks auf der Stirn, eine Mondsichel auf der Seite, ein fliegen­der Geier auf dem Rücken und eine schwarze Schwellung unter der Zunge, »diese Voraussetzungen mussten mindestens zum Teil vorhanden sein« (Petrie ›Religious Life in Ancient Egypt‹ 1932, S. 10). Im von den Indo-Europäern/Ariern ebenfalls eroberten Mesopotamien taucht etwa zeitgleich wie in Ägypten der Stier in der Glyptik der Uruk- und Djemdet Nasr-Periode auf.

Die Große Göttin ist Anfang und  Ende – Alpha und Omega

Der Kuhkopf, Uterussymbol und Sinnbild des Ursprungs wurde zum ersten Buchstaben der Alphabete; »in Babylon war der Buchstabe A ein Name der Göttin des Ursprungs. In Südostasien gilt das Alpa Akshara – der Buchstabe A – als Mutter aller Weisheit und spirituelle Gebärerin aller erleuchteten Menschen« (L.A. Waddell ›Tibetan Buddhism‹, zit. von Walker 1997, S. 61). Im Griechischen ist der Rinderkopf ebenfalls der Geburtsbuchstabe Alpha und das dreifache Alpha war ein Schutz-Talisman für gebärende Frauen. Wir wissen vom indoeuropäisch/arisch altgriechischen Zeus, dass er sich das matriarchale Bukranion-Symbol der Göttin aneignete. Er verwandelte sich in einen Stier und gebar absurderweise aus seinem ›Stierkopf-Uterus‹ die Göttin Athene. Bachofen deutete diesen Umbruch als Sieg des Vaterrechts über das alte Mutterrecht. »Denn Athene war nicht durch eine Frau geboren worden, sondern dem Kopf ihres Vaters Zeus entsprungen. Deshalb singt der Chor der Erinnyen in der Tragödie des Aischylos:

›Oh neue Götter, altes Gesetz und uraltes Recht. Ihr reißt sie nieder, reißt sie fort aus meiner Hand.‹

Die neuen Götter, das sind Apoll und Athene. Und das alte Recht ist das Mutterrecht. Bachofens Deutung ist richtig. Das hatte vor ihm noch niemand gesehen.« (Uwe Wesel ›Im Reich der Mütter‹, Zeit online 2011/19)
Die Darstellung der Großen Göttin im Symbol der Kuh und des Kuhkopfes und die Ähnlichkeit mit den lebenspendenden Fortpflanzungsorganen des weiblichen Körpers zeigt uns, dass im Neolithikum ein ungeheures anatomisches und medizinisches Heilwissen und chirurgisches Können vorhanden war. (s. ›Matriarchales Heilwissen neu entdeckt‹)
Alpha und Omega (Α und Ω), der erste und der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets, sind ein Symbol für Anfang und Ende, sind Symbole der Großen Göttin. Auf Reliefs und Amuletten aus der Mittleren Bronzezeit sehen wir Abbildungen der Göttin, »die mit textlich bezeugten Typen der Muttergöttin wie Ninchursanga oder Nintu(r) in Verbindung gebracht werden kann, denn sie wird flankiert von zwei grossen Ω-förmigen Zeichen, wahrscheinlich einem Symbol des Mutterschoßes« (O. Keel/S. Schroer ›Eva – Mutter alles Lebendigen‹ 2004, S. 106) Die Artefakte stammen 1700 – 1900 Jahre vor Christi Geburt und sind nicht biblischen Ursprungs. Auch wenn im Buch des Jesaja Gott mehrmals als ›Erster und Letzter‹ bezeichnet wird und sich in der Offenbarung des Johannes (Kap. 22,13) der überhöhte Jesus als das ›Alpha und Omega‹, als ›Erster und Letzter‹ bezeichnet. Die dreiste Usurpation der Symbolik der Göttin durch das Patriarchat wird hier besonders deutlich.

Der Kreis-im-Kreis (der Punkt-im-Kreis) – Symbol für den Urschoss der Göttin

kreis-im-kreisDer Kreis-im-Kreis hat als Symbol schon immer fasziniert, wurde jedoch kaum verstanden, seine Rätselhaftigkeit nie gedeutet. Die Lösung kommt wieder einmal von Barbara Walker (1997, S. 33). Sie schreibt:

›In der ältesten Symbolik stellte der Kreis, der einen Punkt in der Mitte umschloss, den Urschoss dar, der den Funken der Schöpfung enthielt.‹

Der Kreis steht für die alles umfassende ewige Göttinnenkraft; als Symbol für die kreative Energie, den kosmischen Schoss der Göttin aus dem heraus sie die Schöpfung schuf. Der Kreis-im-Kreis ist das Symbol für Kreation, Genesis, Ursprung, Entstehung, Mittel-Punkt und Schwangerschaft, für das sich stets wiederholende Wunder der Schöpfung aus der Frau und der Natur, für alles, was im Innern geschützt heranwächst: für das Ei, die größte einzellige Zelle des Menschen im Eierstock, für den Embryo in der Fruchtblase, das Kind im Uterus, das werdende Leben im Mutterleib, die Perle in der Muschel, das Samenkorn in der Erde.
Unter den Pharaonen wurde dieses Symbol des weiblichen Urschosses von der Priesterschaft usurpiert und einem der ersten erfundenen männlichen Götter, dem indoeuropäisch/arischen Sonnengott Ra/Re zugeschrieben. Das Kreissymbol sollte seine fehlende ›weibliche Schöpfungskraft‹, den weiblichen Schoss ersetzen und damit den Beweis der männlichen Schöpferkraft erbringen. Über Schöpfungskraft verfügt aber nur die Natur und die Frau, kein Gott hat einen weiblichen Uterus. Aus diesem Grund wurden all die skurrilen Schöpfungsmythen erfunden – bei denen auf die Frau verzichtet werden konnte –, die Mythenerfinder waren gezwungen, den Göttern  durch völlig widernatürliche Methoden Schöpferkraft zuzuschreiben. In der Bibel, dem Buch der Sagen und Untaten des Patriarchats, wurde der Mythos von der Schöpfung durch das Wort – ursprünglich die Legende des babylonischen Stadtgottes Marduk – übernommen. (s. s. ›Die Rolle der patriarchalen Mythen bei der religiösen Machtnahme
Obwohl Ra/Re relativ spät als Gott der arischen Eroberer in Ägypten auftauchte, wusste die Priesterschaft noch um die außerordentliche Bedeutung des Kreis-Symbols für weibliche Schöpfungskraft. Diese Kraft, die nur die Frauen haben, usurpierten die Priester, um ihren eigenen Göttern Schöpferkraft zu attestieren, welche sie einfach nicht haben.
Ra/Re mit dem ihm zugeordneten ›Kreis-im-Kreis‹-Symbol ›ist gekommen als Sonnenscheibe‹ – heißt es. »Die Inschriften auf ägyptischen Sonnenheiligtümern der V. Dynastie stellen die Sonne als flache Scheibe dar. Wie weit sie zeitlich zurückgreifen, steht nicht fest. Sie waren dargestellt als Scheibe, als Scheibe mit einer Punktuation, als Scheibe umgeben von einem Rand«, schreibt Giedion und fährt fort:

›Diese verschiedenen Darstellungen sind bekannte prähistorische Symbole,
die auch auffallend oft in der neolithischen Periode vorkommen.‹

»Die Ägyptologen stehen in Bezug auf die Deutung dieser Symbole vor ähnlichen Ungewissheiten wie die Prähistoriker. Heinrich Schäfer meinte: ›Für den Ägypter ist die Sonne eine etwa linsenförmige Scheibe, nicht ein Ball. Warum ihr Schriftzeichen nicht nur als glatte Scheibe erscheint, sondern auch mit einem Punkt, oder besser mit einem kleinen Kreis in der Mitte, oder einem ringartigen Rand, wissen wir nicht‹. Der Form und auch der Bedeutung nach sind diese Hieroglyphen den Symbolen der Urzeit verwandt, aber sie entziehen sich wie diese einer präzisen Festlegung« (zit. von Giedion 1964, S. 123)! Wenn wir die Form aber als Ursymbol des kosmischen weiblichen Schosses der Schöpfergöttin anerkennen, ist eine präzise Bestimmung eindeutig möglich.
Der Zweck der Usurpation und Übertragung des Ursymbols auf den indoeuropäisch/arischen Sonnengott war, seine nicht vorhandene Schöpferkraft zu vertuschen; das geraubte Urschoß-Symbol sollte Ra/Re erst zum Schöpfergott machen. Das Leben kommt aus dem weiblichen Schoß, das ist nicht zu leugnen. Das sich Aneignen der weiblichen Kreativität ist eine der unzähligen Betrügereien des Patriarchats, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass das Leben nicht aus dem Mann geboren wird. Es wird behauptet, dass Ra/Re über seine Verbindung zum Vatergott Atum zu einem Gott wurde, der die Urschöpfung beim Weltbeginn vollbracht habe. »Er gilt sowohl als Schöpfer des Himmels und der Erde, wie auch als der, der die Götter, bzw. die Großen erschuf. Er wird daher Vater der Götter genannt.« (Barta ›Re‹ LÄ, V, S. 156 – 180) Doch Ra/Re ist »seinem Wesen nach Sohn einer Muttergottheit, weshalb ihm die Eigenschaft eines Urgottes erst sekundär zugewachsen« ist (Barta ibd.). Natürlich ist Ra/Re die Eigenschaft eines Urgottes auch nicht einfach ›zugewachsen‹, sondern ist aktiv und mit Absicht von der arischen Priesterschaft auf ihn projiziert worden. Trotz all der prahlerischen Zuschreibungen als dem Größten, dem Ältesten, dem Mächtigsten, dem Ur-Schöpfer, akzeptierte ihn die matriarchale Bevölkerung nicht als einen der ihren. (s. Barta ibd). Diesem Problem, das die indigenen ÄgypterInnen die fremden Götter verständlicherweise nicht haben wollten, begegnen wir mehr als einmal.

Dem Kreis-im-Kreis anverwandt ist das erstaunlichste und am wenigsten verstandene Zeichen, das sich in die Reihe der kunstvollen Allegorien für die weiblichen Fortpflanzungsorgane einordnet:

Das Augen-Symbol

auge

Das Augen-Symbol (Silex, Oberägypten, Fotos: Doris Wolf)

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Das Udjat-Auge

isisaugeWörtlich ›Heilauge‹. Das Udjat-Auge gehört zu den geheimnisvollsten Symbolen der ägyptischen Kunst. Es symbolisierte ursprünglich das ›Allessehende Auge der Göttin‹ I-Set/Isis, der ›Seherin‹, die ›klüger war als alle Götter‹. Es steht für Schutz, Kraft, Heil, Gesundheit, Leben und Glück und wird als besonders zauberkräftiges Augenornament betrachtet. »Da dieses Auge nach der Legende seine Heilkraft erstmals bei der Wiederbelebung des toten Osiris bewies, spielte es auch eine Rolle im ägyptischen Totenkult.« (Joachim Rehork Hsg. der ›Enzyklopädie der Archäologie‹ 1990, S. 460) Das Auge ist ein Symbol für ›Öffnung‹ (im Abendlied von Gottfried Keller sind es die: ›Augen meine lieben Fensterlein‹). Das Udjat Auge ist ebenfalls ein Symbol der Öffnung; für den offenen Muttermund, offen für die Wiedergeburt durch die Schöpfungskraft des weiblichen Schosses. In einem der zahlreichen Mythen setzt sich die Göttin Isis auf den toten Phallus des Osiris, wobei ihre zauberträchtige offene Vulva/Vagina ihn ›heilt‹, d.h. wiederbelebt und sie schwanger wird.
Die Bezeichnung ›Udjat‹ für das Symbol (in den verschiedenen Übertragungen aus der Hieroglyphenschrift auch Utchat/Uzait/Uzat usw.) ist identisch mit dem Namen der Großen Göttin I-Set/Isis und seinen Umschriften Uadjet/Uazit/Uaset/Ua-Zet/Wa Zit/Wadjet usw. und ist auch eindeutig verwandt mit der vor-islamischen arabischen Göttin Al-Uzza.
In der matriarchalen Zeit Ägyptens war das ›Auge der Isis‹ ein außerordentlich bedeutsames Symbol. Schon deshalb wurde es von den klerikalen Mythenerfindern der dynastischen Zeit usurpiert und den ersten männlichen Göttern der dynastischen Zeit in manchen Augen-Mythen zugeeignet. Das Auge wurde als Amulett der Isis bereits für die neolithische Badari-Zeit Ägyptens (5500 – 4000) nachgewiesen, als es überhaupt noch keine männlichen Götter gab. Die vielen kruden Legenden und Sagen der indoeuropäischen Göttermacher und Mythenerfinder verwirrten und erschwerten die Entschlüsselung des Symbols außerordentlich. Es blieb rätselhaft, eröffnete den Ägyptologen seine tiefe Mystik und geheimnisvolle Symbolkraft nicht.
Bei der Suche nach der Lösung dieses mystischen Rätsels erinnern wir uns, dass die bedeutendsten Symbole der Urzeit die Schöpfungskraft der Frau repräsentieren. Wie der Kuhkopf, der den Uterus symbolisiert, steht auch das Auge für einen Aspekt der weiblichen Schöpfungsorgane:

Das Udjat-Auge ist das Symbol für die Öffnung der Gebärmutter, den Cervix

Dikus Keulenkopf

Der Cervix ist die Öffnung, das untere Ende der Gebärmutter, der äußere Gebärmuttermund und der Eingang in den Uterus durch den Gebärmutterhals. Er hat effektiv eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem ›Auge‹. Das kann sehr einfach mit einem Vaginalspekulum, das in der Gynäkologie verwendet wird, festgestellt werden. In ihrem Buch ›Die weise Wunde Menstruation‹ kommen Penelope Shuttle und Peter Redgrove zum gleichen Schluss: »Das Auge gleicht dem Muttermund, dem ›Geburtskegel‹ der Gebärmutter, dessen Öffnung wie die Pupille eines Auges aussieht. Dieser Kegel befindet sich am Ende des zylindrischen vaginalen Gewölbes und sieht aus wie eine in einem sichelförmigen Mond ruhende Kugel, wie ›der alte Mond in den Armen des neuen Mondes‹… Das Einauge als Sinnbild der Göttin ist in den Kulturen des Altertums weit verbreitet und könnte seinen Ursprung in der Ähnlichkeit mit der ›inneren‹ Vagina haben.« (›Weise Wunde Menstruation‹ 1980, S. 191 f.) In der Augenbraue des Udjat-Auges wird möglicherweise die Form des Uterus, im spiralförmigen Teil die hörnerartigen Eileiter angedeutet.

Vulva:Auge von Mekka
Die silberne Vulva an der Kaaba in Mekka symbolisiert in der Horizontale ebenfalls ein Auge und ist möglicherweise das Udjat-Auge der Göttin Al Uzza.

Im Symbolismus des Auges bestätigen sich die genauen Kenntnisse der inneren Anatomie, das detaillierte Wissen um die Organe, was wir schon beim Uterus-Symbol, dem gehörnten Kuhkopf sahen. Die frühen anatomischen Kenntnisse der Frauen der matriarchalen Zeit werden auch durch den sogenannten ›Röntgenstil‹, bestätigt, den wir bei altsteinzeitlichen Felsmalereien finden. Meistens sind es Tiere die mit inneren Organen oder Teilen des Skelettes dargestellt werden, Menschenfiguren sind eher selten, außer bei den australischen Aborigines, wo sie häufig vorkommen. Patriarchale Wissenschaftler begründen den Röntgenstil mit der Jägerei; als praktische Anleitung für das Zerlegen von Wild, als Unterweisung und Vorbereitung der Jugend für die Jagd und ›jagdmagische Aspekte‹ in (s. Wikipedia). Während sich die Männer auf die Jagd und ›jagdmagische Aspekte‹ konzentrierten, beschäftigten sich die Frauen mit der Anatomie und der inneren Medizin zum Wohlergehen der schwangeren und gebärenden Mütter!
Frauen wussten um die Geheimnisse von Leben und Tod und waren fähig, die ›ma­gische Kunst des Heilens‹ auszuüben, weil sie den menschlichen Körper kannten. Das Öffnen des toten Körpers wurde nicht erst durch Mumifizierung in der patriarchalen Zeit der ägyptischen Dynastien erfunden, sondern war längst bekannt. Schon lange müssen Frauen die inneren Organe untersucht haben, um Krankheiten, wahrscheinlich aber vor allem, um das Mysterium von Schwangerschaft und Geburt und damit zusammenhängende Probleme besser verstehen und behandeln zu können.
Von Giedion stammt der Hinweis, dass es immer einige unvoreingenommene Ethnologen, Kunsthistoriker, Symbol- und Urgeschichtsforscher gab, die sich bemühten, die Denkart der frühen Menschen besser verstehen zu können und ein Einfühlungsvermögen für die geheimnisvollen und tiefgründigen Zeichen der Symbolik zu entwickeln. Effektiv sahen auch einige von ihnen »das Auge als ein Bild für die Vagina« (1964, S. 184). E.A. Wallis Budge sah im Symbol des Auges die ursprüngliche, weibliche Personifizierung der ›feuchten Materie‹, welche die Substanz der Welt geformt hat, eine Form des uranfänglichen, weiblich-schöpferischen Prinzips.

Die Augengöttin – Symbol für ›die Überströmende‹

Statuette aus dem Jungpaläolithikum mit schlitzförmigen Augen, aus denen Ströme auf die schweren Brüste hinabfließen. Höhe 11 cm (Ton und Knochenmehl gemischt, aus Dolni Vestonice, Mähren, um 24’000. (Nach Gimbutas ›Die Sprache der Göttin‹ 1995, S. 51)

Marija Gimbutas erforschte die auffallende Augensymbolik in Alteuropa und entdeckte, dass die Augen der Göttin ›als Quell göttlicher Flüssigkeit‹ galten. Darstellungen von Göttinnen-Figuren der ›Allsehenden‹, mit strömenden Linien von Flüssigkeit, die aus ihren Augen fließen, wurden bereits aus dem Jungpaläolithikum, dem Mesolithikum und Neolithikum gefunden (Gimbutas ›Die Sprache der Göttin‹ 1995, S. 51). Tausende von Kleinskulpturen mit übergroßen Augen wurden sowohl in Mesopotamien, in Ägypten, als auch den andern vorderasiatischen Kulturen gefunden, wo die Augengöttin verehrt wurde.
Sie ist ›die Große Flut‹, die ›Große Fülle‹, die ›Überströmende‹. Sie ist die Mächtige, die Üppige, die aus ihrer Gebärmutter Überfluss Verströmende, die unerschöpfliche Quelle jeder Art. Marija Gimbutas sieht auch einen Zusammenhang von ›Augen als Quelle göttlicher, lebensspendender Flüssigkeit‹ und den geheimnisvollen Näpfchen oder Cupules, den in Stein gekerbten kleinen Kuhlen, die wir in Europa seit dem Moustérien (120’000 – 40’000), vor allem aber in der Zeit des Aurignacien (28’000 – 20’000) finden. Immer wieder begegnen wir dem ausdrucksstarken Augensymbol, den Näpfchen. »Gelegentlich ist ein anthropomorpher Stein – die Göttin – ganz und gar von ihnen bedeckt« (Abb. nach Gimbutas ›Sprache‹ 1995, S. 61).
Nicht selten sind die kleinen runden Gefäße – Näpfchen oder Cupules – mit einem Kreis umgeben und »haben eine unverkennbar metaphorische Funktion – als Augen, die der Quell göttlicher Flüssigkeit, des Lebenswassers selbst sind und zugleich dessen Gefäße, die es beim Niederrinnen auffangen.« Marija Gimbutas sieht in den Näpfchen ›Miniaturbrunnen‹, »mit dem heiligen Wasser der Göttin/Lebensspenderin gefüllte Vertiefungen. Als Quelle des Lebens und der Gesundheit stehen sie in Beziehung zum göttlichen Auge, zu Quellen und Brunnen« (Gimbutas ›Sprache‹, 1995, S. 61 und 322). Die meisten Forscher sind sich einig, dass es sich bei den Näpfchen um Wiedergeburtssymbole handelt, wenn sich auch ihre Erklärungen und Deutungen unterscheiden. Klar ist jedoch allen, dass eine Geburt und eine Wiedergeburt nicht aus einem Mann, auch nicht aus einem männlichen Gott kommen kann. Das ist der Grund weshalb die patriarchalen Priester dem Wiedergeburtsglauben ein Ende setzten und eine raffinierte Geschichte vom ›ewigen Leben im Himmel‹ und die sadistische Drohung mit der Hölle für jene, die ihnen keinen Glauben schenken wollen, erfanden.

›Wir kommen alle aus dem weinenden Gottesauge‹

dichteten die Propagandisten der patriarchalen Religionen, die Mythen-Erfinder und Usurpatoren. Sie stellen sich auf beiden Auge blind für die weibliche Symbolik der Urzeit. Zum ›tränenden Gottesauge‹ bemüht die Ägyptologin Brunner-Traut die These vom ›Wortspiel‹: »Der Vorstellung, dass die Menschen ›aus dem Auge des Re‹ entstanden sind, liegt das Wortspiel zugrunde, dass ›Träne‹ und ›Mensch‹ ähnlich lauten. So sind die Menschen Tränen Gottes. Wenn das Auge des Re sich gegen die Menschen wendet, so als Sonnenglut, als sengende Hitze. Dass Hathor ihre Sache ›macht durch das Auge‹, beruht auf der Wortgleichheit zwischen ›Auge‹ und ›machen‹. Sie ›macht‹ es für den ›Macher, Erzeuger‹, welches Wortspiel hier im ›Allmächtigen‹ aufzufangen versucht ist« (Brunner-Traut ›Altägyptische Märchen‹ 1989, S. 300). Im gleichen kruden Sprachstil wie Brunner-Traut legen auch andere Exegeten der monotheistischen Religionen ihre Verdrehungen, Vertuschungen und Ungereimtheiten der patriarchalen Religionsgeschichte aus.
Erik Hornung bemüht das ›Wortspiel‹ ebenfalls und bedient sich Brunner-Trauts Eingebung: »Dass die Menschen aus den ›Tränen‹ und damit aus dem Auge des Schöpfers entstehen, beruht auf einem Wortspiel zwischen den Wörtern für ›Mensch‹ und ›Träne‹. Wie jedes ägyptische Wortspiel, öffnet auch dieses den Blick in tiefe Zusammenhänge, zeigt uns die ›Stimmigkeit‹ der Welt, die sich in der Sprache spiegelt. Blitzartig wird unsere zwiespältige Herkunft aufgehellt – ›wir kommen alle aus seinem Auge‹, aus dem weinenden Gottesauge, das von vorübergehender Blindheit getrübt war«. (Hornung Der Eine und die Vielen) Die ›Tiefe der blitzartigen Aufhellung‹ vermag jedoch nicht zu erhellen, dass Ra/Re in der frühen Mythologie aus dem ›Udjat-Auge‹, der Gebärmutter der Göttin, geboren, und dass er von ihr mit dem ›Auge‹ ausgestattet wurde. Lana Troy nennt das Udjat ›das uterine Auge des Re‹. Dass ein männlicher Gott nie einen Uterus hatte, ist nicht zu bezweifeln.
Etwas skurril ist die Interpretation schon, dass alle und alles aus dem ›weinenden Gottesauge‹ entstanden sei, aber aufschlussreich ist der Grund seines Weinens: »Wenn das Auge des Re sich gegen die Menschen wendet, so als Sonnenglut, als sengende Hitze«, ist es, weil die Menschen schlecht sind, sie haben sich aufgelehnt gegen Gottes heilige Ordnung, vernehmen wir von Brunner-Traut. Das Volk will diesen Gott nicht, es rebelliert gegen ihn, hat Anschläge gegen ihn geplant. Der Aufstand der Ägypter im Frühjahr 2011 gegen ihren tyrannischen Herrscher ›Pharao‹ Mubarak und seine Schergen tönt wie das Echo aus damaliger Zeit. Der vermeintliche ›Urgott‹ klagt: ›Weinen musste ich wegen des Wütens gegen mich. Die Menschen gehören der Blindheit, die hinter mir ist‹. Und Hornung folgert: »Gott hat die Trübung seines Auges wieder überwunden, aber den Menschen hat ihre Herkunft das Schicksal mitgegeben, niemals am klaren Götterblick teilzuhaben, ihnen ist in allem, was schauen, denken und tun Trübung beschieden« (Hornung Der Eine und die Vielen S. 142). Wie wahr für die ägyptische Religion und ihre Interpreten. Aber wenigstens ist die Geburt aus den tränenden Augen des Re weniger gruselig als die unappetitlichen Zoten anderer Mythen, die sich mit dem männlichen Gebären befassen. (s. ›Von schwangeren Männern und göttlichen Gebärern‹)

Die matriarchale Symbolik überzeugt durch Beständigkeit, Verstand Logik und Wahrhaftigkeit

Dagegen sind die völlig verzerrten patriarchalen Interpretationen der lächerliche Versuch die Schöpfung aus der Frau zu leugnen. Das beabsichtigte Ziel ist es, interessierte LeserInnen und StudentInnen zu verwirren; was ihnen auch gelingt! Autoritätshörigkeit, ja autoritätsfürchtiger Gehorsam ist gefragt; blinder Glaube ein Muss. Das wortreiche Geschwätz, das den Humbug sinnwidriger Ungereimtheiten kaschieren soll, versteht man nicht. Selbständiges Denken und Hinterfragen steht nicht auf dem Studienplan, das wurde längst abgeschafft, denn wissenschaftliche und religiöse ›Autoritäten‹ sind in ihrer Aufgeblasenheit wie andere Diktatoren: sie dulden keine andere Meinung als ihre eigene und die darf nicht hinterfragt oder angezweifelt werden.
Zum Sammelsurium der vielen absurden Augensagen, die nur ein Ziel hatten, von der weiblichen Schöpfung und der ursprünglichen Symbolik des Gebärmuttermundes abzulenken, schreibt Eberhard Otto etwas hilflos: »Es ist unmöglich und wäre methodisch falsch, die Augensagen irgendwie als eine ursprüngliche Einheit verstehen zu wollen. Die zahlreichen Assoziationen und Gleichsetzungen entsprechen nicht einem einheitlichen Konzept, sondern müssen als Aufsummierung verschiedener Vorstellungen und Denkprozesse verstanden werden. In der intellektuellen Möglichkeit solcher Aufsummierung aber begreift der Ägypter die Vielfältigkeit der Erscheinungen als eine verborgene, aber entdeckbare Einheit«. (LÄ, I S. 566) Zwar ›entdeckbar‹, aber von der patriarchalen Wissenschaft noch nicht entdeckt – bzw. noch nicht einmal wahrgenommen! Das ›Verborgene‹ ist aus der eingeschränkten Sichtweise der voreingenommenen, beschränkten ›intellektuellen Möglichkeiten‹ kaum zu begreifen.
Auffallend ist die Tatsache, dass »in den bildlichen Darstellungen Südost- und Westeuropas das Augenmotiv sehr häufig in Verbindung mit der Schlange auftritt und Augen mit Schlangenspiralen symbolisiert werden… Nach alter Überzeugung bezog die Schlange ihre Kraft aus dem Wasser und der Sonne… Die magischen, lebenserneuernden Augen der Göttin wurden als Sonnen aufgefasst« (Gimbutas ›Sprache‹ 1995, S. 58 f.). Auch im antiken Griechenland hatte die Schlange oder der Drache seherische Fähigkeiten und lebte an dem Ort, der später Delphi ›Mutterschoß‹ heißen sollte. Interessanterweise geht die Metaphorik der Augen in Ägypten die gleiche Verbindungen mit der Schlange und der Sonne ein. Die Kobra wurde in Ägypten auch ›das Auge‹ genannt. Udjat war ein Symbol für mystische Erkenntnis und Weisheit. Die lautliche Ähnlichkeit ›Udjat‹ für das weibliche Symbol der Schlange und der Ua-Zit, der Göttin Isis, und des Augen-Symbols für den Muttermund sind nicht  bloßer Lautklang, nicht Zufall und nicht ›Wortspiele‹.
»Die Uräus-Schlange ist stets weiblich und nur mit weiblichen Gottheiten verbunden« (Martin LÄ, VI, S. 867). Die aufgerichtete Kobra, die auch ›das Auge‹ repräsentiert, hat im Hieroglyphen-Alphabet den Lautwert Z und wird in unzähligen Umschriften aus der Hieroglyphenschrift ›übersetzt‹: z. B. als Zt, Zet, Zit, Djet, Djt, Au-Set, Ua-Sit, Ua-Zet, Ua-Zit, Uadjit, Uadjet, Utchat, Uzat, Uzait, Wadjet, Wa-Djet, Wadjit, Wedjat, Wedjoyet usw. Es sind alles Umschriften der Bezeichnungen für die Große matriarchale Göttin, die für die Menschen der Urzeit die Welt erschaffen hat und Transkriptionen des Namens der Großen Göttin I-Set (griechisch Isis). Sie ist, wie Budge es ausdrückte, das ›uranfängliche, weiblich-schöpferische Prinzip‹. Wenn Ra/Re im ägyptischen Mythos (von der Himmelskuh) behauptet, die Menschen seien aus seinem ›Auge‹ entstanden, aus seiner Tränenflüssigkeit, muss man sich fragen, warum er dann seine Schöpfung durch den Mund ›gebären‹ muss. Wir wissen, dass die indoeuropäische Priesterkaste im eroberten Ägypten alles daran setzte, die Frauen und Göttinnen und ihre lebenspendende Fähigkeit zu diskriminieren und für sich zu usurpieren. Es war ihnen wichtig, den von ihnen geschaffenen Göttern zuzuschreiben, dass sie selbst – ohne weibliches Dazutun – Leben schaffen, selbst schwanger und ganz normal ›wie eine Frau‹ gebären könnten. (s. D. Wolf 2009, S. 295-299). Sie stellten selbst den Totengott Osiris im Grab des Tutanchamun mit schwangerem Bauch dar. Der ägyptische ›Reformer‹ Echnaton nahm Maß bei Osiris; er ließ sich mit einem schwangeren Frauenkörper darstellen; ultimativer Ausdruck eines aufgeblähten männlichen Egos.

Männer wollten sein wie Frauen! Keine Spur von Penisneid, Gebärneid war von allem Anfang an das Problem des patriarchalen Mannes, weil ihm und selbst den Göttern ganz einfach die weibliche Schöpfungskraft fehlt! Der deutsche Arzt, Schriftsteller und Wegbereiter der Psychosomatik Georg Walther Groddeck erkannte wohl als erster diese Tatsache: den Neid des Mannes auf die Frau und speziell den ›Gebärneid‹, den Neid auf die ihm versagte Eigenschaft naturaler Produktivität.« (Erich Fromm ›Liebe, Sexualität und Matriarchat‹ 1994, S. 69)

Den Mangel versuchten die damaligen Priester und die heutigen Apologeten in ihren Verteidigungsreden mit unglaublicher Denkakrobatik umzudeuten und glaubhaft zu machen. Nicht anders versuchen heutige Kleriker etwa die Jungfrauengeburt Marias, die leiblichen Himmelfahrten, die (w)irren Geschichten von Hölle, Dämonen, Teufeln, Teufelsbesessenheit und ähnliche Absonderlichkeiten zu ›erklären‹, die allesamt Projektionen klerikaler Paranoia und Angstmache sind. Exegese ist das hochtrabende Wort, das die neurotischen Meister der Deutelei und Verdrehung dafür verwenden; ›Hirnwäsche‹ von Verwirrten wäre die treffendere Vokabel.

Allsehendes_Auge_am_Tor_des_Aachener_DomDas Auge als Symbol der Ur-Göttin und das weibliche Dreieck haben die Christen usurpiert. Wir finden es in christlichen Kirchen wieder, dargestellt als ›Gottesauge der Vorsehung‹ oder als das ›Allessehende Auge Gottes‹.

»In der indischen Mythologie taucht das Sonnenauge in Form der Gottheit Surya auf, im Zoroastrismus als Auge des Mithra.« (Wikipedia)

Links:  Allsehendes Gottesauge am Tor des Aachener Doms (Free Software Foundation, Foto: Dexter)

Das Ankh-Kreuz – Symbol des Lebens und das Ua-Set-Zepter

Das heilige Ankh-Kreuz oder Henkelkreuz ist ein matriarchales Zeichen aus dem Neolithikum und ist ein Ur-Symbol der sakralen Kunst. Wie alle großen Errungenschaften der matriarchalen Zeit wurde es von den Eroberern übernommen und wie wir auf dem Bild (unten) von Medinet Habu sehen, mit der Kartusche des Königs verbunden.

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Ankh-Kreuz und Ua-Set/Ua-Zet (Isis) Zepter im Tempel von Medinet Habu

Auf dem Bild ist das Ankh-Symbol als weibliche Figur zu erkennen, die das Ua-Set-Zepter in den Händen hält. Es ist das Symbolpaar für ›Leben und Heil‹. Das Ankh-Kreuz ist die Abstraktion der Göttin des Lebens, oder wie Carola Meier-Seethaler es ausdrückt: Das Zeichen des Kreuzes ist die bildliche Kurzformel für die Göttin.

Das Ua-Set-Zepter – das Symbol weiblicher Mächtigkeit

Wenden wir uns zuerst dem Ua-Set-Zepter, dem Symbol der Mächtigkeit der Göttin Isis zu.

 

Wie auf dem Bild von Medinet Habu deutlich wird, wurde das weibliche Ankh-Kreuz oft zusammen mit dem Ua-Set-Zepter als Symbolpaar für ›Leben und Heil‹, für weibliche Mächtigkeit: ›Beständigkeit, Wohlergehen und Glück‹ dargestellt. Für Heil und Glück fand der geniale Außenseiter der Paläolinguistik, Richard Fester, weltweit 160 Worte die miteinander verwandt – und alle auf die weibliche Ursilbe KALL zurückzuführen sind. (Fester ›Weib und Macht– Fünf Millionen Jahre Urgeschichte der Frau‹ 1979)

Links: Anhänger einer stilisierten weiblichen Elfenbein-Figur aus Dolni Vestonice. 25’000 Jahre alt. (Moravian, Breclav, Tschechoslowakei, Museum Brno, L. Pichova)

Rechts: Der Seth-Kopf des Ua-Set-Zepters, dessen unteres Ende gleichartig als Vulva gestaltet wurde wie die Vulva-Figur aus Dolni Vestonice (British Museum, Foto Jon Bodsworth

Zwar vermännlichten schon die Eroberer im Alten Reich den Namen des Zepters auf Uas, ebenso wie die Ägyptologen, die Göttin Ua-Set (auch Waset, griechisch Isis) auf ›Uas‹ verkürzten.

Kurt Sethe wies darauf hin, dass die Bezeichnung für das Zepter, das auch das Wappenzeichen des 4. Oberägyptischen Gaus von Theben (Luxor) war, Ua-Set gelesen werden müsse, darum weiblich sei und eine weibliche Göttin verkörpere (Sethe 1930, § 46). Hans Bonnet bestätigt, dass die Bezeichnung »dem grammatischen Geschlecht des Wortes entsprechend, durchweg in einer Göttin verkörpert wurde« (Bonnet, 1971, S. 839). Tatsächlich handelt es sich um das Zepter der Göttin Ua-Set/I-Set/Isis. Sie ist es, die es dem König als Zeichen der Macht übergibt. Der Kopf des Seth-Tieres (wir wissen, Seth ist die vermännlichte Göttin I-Set/Isis. s. D. Wolf 2009, S. 266) bildet das obere Ende des Zepters; das untere Ende, das man als ›Gabel‹ bezeichnet, ist eine manchmal geschlossene, meist aber offene Vulva. Wir kennen diese stilisierte weibliche Form bereits von der Elfenbein-Figur aus Dolni Vestonice, die sowohl die stilisierte Form einer Frau und/oder die Vulva darstellt.
Nicht schöpferisch zu sein, nicht menstruieren, nicht schwanger werden und nicht gebären zu können, scheint eine der größten Kränkungen für den patriarchalen Mann zu sein. Eine Kränkung so tief, dass er sie vor sich selbst verbirgt und bestreitet. Er versucht sie durch Abwertung der Frau und der Göttin, die er als ›heidnischen Götzen‹ beschimpft, zu kompensieren.

Das Ankh-Kreuz

der Isis wurde zum Emblem verschiedener Gestalten späterer Göttinnen, z.B. von Venus, Ishtar, Aphrodite, Tanit und Athene; sie alle sind mit diesem Symbol verbunden, das bis heute das biologische Symbol des Weiblichen ist. Meistens sind männliche Symbole, wie Giedion betont, »oft so abstrakt gehalten, dass ihre Interpretation zweifelhaft werden kann«. Diese Ansicht lässt allerdings sehr fragwürdige Auslegungen zu. Carola Meier-Seethaler weist darauf hin, dass beim Kreuz Längs- und Querbalken sexualsymbolisch interpretiert werden, »wonach die Senkrechte phallisch gedeutet und die Waagrechte mit dem Passiv-Weiblichen in Zusammenhang gebracht wird«. Beim Symbol der Weiblichkeit ist eine solche Deutung geradezu absurd. Dies seien ›späte Deutungen‹, schreibt sie, die »klar aus dem patriarchalen Dualismus hervorgegangen sind. Das vorpatriarchale Weltbild kennt weder die Spaltung zwischen Himmel und Erde noch die einseitige Zuordnung der Geschlechter zum Prinzip des Geistes oder der Natur« (Meier-Seethaler 1993, S. 119).
Auch Ägyptologen sprechen beim Ankh-Zeichen gern von einem weiblich-männlichen Symbol, einem ›Symbol des Androgynen‹, einer ›Verbindung von Männlichem und Weiblichem‹, von ›Sandalenriemen‹, einer ›Halteschlaufe‹, von einem ›Gürtel, der ursprünglich die männlichen Schamteile schützte und stärkte‹, vom ›Gürtel eines Fischers, der um seine Hüfte geschlungen ist dessen Ende lose herunterhängen‹ oder von einer ›Abstraktion des Phallus‹ usw..
Dazu schreibt E.A.W. Budge, von allen Interpretationen, die zu diesem Symbol gemacht wurden, ist eine phallische Deutung die am wenigsten wahrscheinliche (›Egyptian Magic‹ S. 58). Der Phallus ›dieses interessante Organ‹ ! (wie der Arzt Ange-Pierre Leca meint) wird in Ägypten nicht abstrahiert, sondern realistisch als Phallus dargestellt und als solcher erkennbar, z.B. im Zeichen ›utet‹ für zeugen. (Budge ›Egyptian Language‹ S. 58)
Immer wieder begegnen wir dem Versuch moderner Wissenschaftler, dem Männlichen, dem Mann und seinem ›interessanten Organ‹ eine Bedeutung zuzuschreiben, die ihm damals einfach nicht zukam. Es mag Neid, Ignoranz oder pure Fassungslosigkeit sein, dass er, der ja vermeintlich den eigentlichen ›Menschen‹ vertritt, außen vor bleibt und seine Wichtigkeit laut den Zeugnissen der vergangenen zwei Jahrmillionen kaum berücksichtigt wurde.
Giedion glaubt ebenfalls einen phallischen Anteil im Ankh-Kreuz zu erkennen, dem er ›Zeugungskraft‹ zuschreibt: »Das Lebenszeichen dürfte in seinen Bestandteilen den prähistorischen Fruchtbarkeitssymbolen, der Vulva und dem Phallus, am nächsten verwandt sein. Sein Oberteil gleicht der herzförmigen Form, die dem Vulvasymbol im Aurignacien gegeben wurde, und die hier mit einer Abstraktion des Phallus verbunden erscheint, ein Symbol des Androgynen, ewig sich erneuernder Zeugung, eine Verbindung von Männlichem und Weiblichem, der eine besondere magische Kraft innewohnt« (Giedion 1964, S. 184). Auch Giedion ist in Bezug auf den phallischen Anteil verwirrt. Im Aurignacien (ca. 40’000 bis 28’000) kannte man wohl die ›magische Kraft‹ des sexuellen Aktes, sonst wäre die Menschheit ausgestorben, doch dass der Zusammenhang vom Zeugungsanteil des Mannes damals schon bekannt war, ist mehr als zweifelhaft. Ein Zusammenhang zwischen Geschlechtsakt und Geburt ist schwer erkennbar, weil es so lange Zeit dauert bis die Schwangerschaft sichtbar wird und das Kind bei der Geburt – dem überwältigendsten Ereignis der Menschwerdung – aus dem weiblichen Körper heraustritt.
Es ist eine seltsame Eitelkeit patriarchaler Wissenschaftler immer und überall phallische Symbole und phallische Zeugungskraft zu sehen. Ohne jeden Beweis schreibt Giedion: »Das höchste Fruchtbarkeitssymbol war die Darstellung der Bisexualität; die Vereinigung der beiden Geschlechter in einem als Symbol kontinuierlicher Erneuerung« (1964, S. 17). Doch diese Symbolik findet sich nicht, oder kaum je in der urzeitlichen Kunst. Mangels solcher Beweise, führt er dann als Beispiel ausgerechnet den ithyphallischen ägyptischen Gott Min aus den Anfängen der patriarchalen geschichtlichen Zeit an; dementsprechend ist Min ein junger Gott und auf keinen Fall ›urzeitlich‹. Und es ist nun wirklich keine symbolische, sondern eine etwas übertriebene Darstellung des erigierten Organs des männlichen Gottes. Zur Sexprotzerei der ithyphallischen Götter schreibt Giedion aber auch: »Die hypertrophe Betonung des Sexuellen ist eine Degenerationserscheinung. In der Urzeit war es weit mehr die Idee der ewigen Erneuerung, die die Symbole schuf. Dazu mündeten die Vorstellungen ins Kosmische.« (1964, S. 178) Wir verdanken Giedion die Beobachtung, dass die Min-Statuen »breite, tiefe Cupules« und selbst »zwei Vulva-Symbole in rhomboidaler Form« aufweisen (1964, S. 116). Was von den Ägyptologen meines Wissens ebenfalls übersehen wurde, ist, dass nur die eine Statue männlich, die andere aber weiblich ist.
Die weibliche Symbolik wird auch da unterschätzt, wo die Ansicht vertreten wird, die Schlaufe des Ankh-Zeichens scheine »sekundär zu sein und nur dazu zu dienen, als Amulett getragen oder um den Hals bzw. Leib gebunden zu werden.« (Westendorf ZÄS 1967, S. 148)
Das Ankh-Kreuz, das ägyptische Symbol für ›Leben‹, ist ein doppeltes Symbol für weibliche ›Schöpfungskraft und Leben‹. Es enthält die tropfenförmige Yoni/Vulva auf einer T-Form. Weibliche Statuetten in Form des Ankh-Kreuzes wurden als Amulette getragen. Aus Zypern stammen so genannte Kreuzidole aus dem 3. Jahrtausend: »Sie zeigen deutlich die Formung eines Kopfes am oberen Ende des Längsbalkens und die durch eine Kerbe angedeutete Zweiteilung der Beine am unteren Ende des Längsbalkens. Nimmt man den Querbalken als Andeutung ausgebreiteter Arme hinzu, so haben wir im Kreuz das schematisierte Bild der großen Göttin vor uns, wie es bereits in Çatal Hüyük im großen Doppelrelief der Göttin angedeutet ist, wenn auch dort mit zwei Köpfen und zwei Längsbalken.« (Meier-Seethaler 1988, S. 67)
Die dreisteste Usurpation des Symbols erlaubte sich Echnaton. Er eignete sich das weibliche Symbol für ›Leben‹ für seine neue Sonnen- bzw, Vaterreligion an. Nicholas Reeves schreibt: »Die Sonnenscheibe, die das Anch, das hieroglyphische Zeichen für ›Leben‹, an die Nasen der königlichen Familie hält, wurde als Gott aufgefasst – und zwar als Gott ›Aton‹.« (›Echnaton – Ägyptens falscher Prophet‹ 2002, S. 19) Aton entspricht dem indoarischen Wort ›Ati‹ (griechisch Athothis) und heißt ›Vater‹ und ›Herrscher‹.

Das matriarchale Kreuz des Lebens

Das Kreuz ist das universale mythologische Symbol der Weltachse und das tragende Prinzip des Kosmos – und es ist weiblich!

Links: Das Kreuz noch mit etwa gleichlangen oberen und unteren Balken, kreuzförmiger weiblicher Anhänger aus Zypern. (Ausstellungskatalog der Prähistorischen Staatssammlung München, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Foto Claus Hansmann) Rechts: Kreuzgöttin aus Messing, aus neuerer Zeit, ca. 6 cm groß, Herkunft wahrscheinlich Westafrika (Foto Christine Zenz, Privatbesitz)

Marienkreuz

Die thronende Göttin von der Insel Gotland. Holz, 1.20 m. Um 1050 Visby, Gotland, Gotlands Formsal (nach Wilhelm Nyssen/Franz-Peter Sonntag ›Der Gott der wandernden Völker – Frühe christliche Zeugnisse der keltisch-germanischen Stämme von Västergötland bis Asturien‹ 1969)

Das Kreuz war – wie wir jetzt wissen – ursprünglich keineswegs ein christliches Kultsymbol; sondern wurde von der matriarchalen Symbolik usurpiert. Es ist »das uralte Ordnungsschema, die erste Orientierungshilfe der Menschen, mit der sie ihre Welt einteilten, die sie schon vor unendlich langer Zeit in die Höhlenwände ritzten. [Es ist] das Kreuz mit den gleichlangen Balken und dem Schnittpunkt in der Mitte als Standort des Menschen« (Lucie Stapenhorst ›Die Drächin und der Held – Vom Kampf gegen die weibliche Urmacht in Mythen, Märchen und Tiefenpsychologie‹ 1993, S. 62) Wie steinzeitliche Felsgravierungen beweisen, hatte das Kreuzzeichen seit Menschengedenken eine eminente Bedeutung; im Christentum wurde es, gerade wegen seiner Bedeutung usurpiert. Patriarchale Kleriker erfanden nichts Neues, sie machten sich nur bereits bestehende weibliche Symbole aus der matriarchalen Zeit zu eigen und nutzten den Vorteil, dass diese bereits weltweit bekannt und verehrt wurden. Die Erfinder des Christentums stahlen die Symbole der verhassten Heiden, der VerehrerInnen der Göttin, wandelten sie und bauten auf diesem Raubgut des geistigen Eigentums ihre patriarchale Lehre, ihren Kult, ihre Mysterien und ihr Symbol des ans Kreuz genagelten Jesus auf. Das Kreuz wurde erst im 4. Jahrhundert das überragende Symbol des Christentums. (s. auch Johannes Maringer ›Das Kreuz als Zeichen und Symbol in der vorchristlichen Welt‹ 1980)

Das weibliche Ankh-Kreuz wird ohne das Vulva-Symbol über dem Längs- und Querbalken zum T-förmigen ›Tau-Kreuz‹ und zu den auffallenden T-Pfeilern von Göbekli Tepe am ›bauchigen Hügel‹, die auf die Göttinnen-Verehrung vor 11’000 Jahren hinweisen. Der auf dem obersten Punkt des Hügels stehende Maulbeerbaum symbolisiert den Lebensbaum der Göttin. (s. auch die wunderbaren Bilder von Göbekli Tepe des Fotografen Berthold Steinhilber im Internet).  Der Kulturanthropologe und Afrikanist Peter Fuchs berichtet, dass das T bei den Tuareg überlebte und dort als Schmuck-Amulett getragen wird. Die vom Buchstaben T abgeleitete Ornamentik bildet auch die Femininform und geht auch bei ihnen nicht auf christliche Einflüsse zurück. (›Sahara‹, o. Jahrgang, S. 147) Auch in der altägyptischen Sprache und Schrift bildet das T die weibliche Wortendung.
Dass die Erinnerung an die alte weibliche Schöpfungssymbolik des Buchstabens T auch noch im Judentum wach war, erzählt eine jüdische Legende. Hier sollen sich die 22 Buchstaben des Alphabets vor Gott versammelt haben als er die Welt durch das Wort, also aus Buchstaben schöpfen wollte. Den Buchstaben T, der die Leben spendende weibliche Mächtigkeit repräsentierte, wies Gott ab mit der Begründung, dass er es von nun an als Zeichen des Todes auf die Stirne der Menschen drücken werde (Louis Ginzberg ›The Legends of the Jews‹ 1968, I, S. 5 f.).
Die patriarchalen Kleriker wandelten das weibliche Kreuz des Lebens, des Heils und des Glücks zum Marterpfahl, zum patriarchalen Symbol des Leidens und des Todes. Geradezu erschreckend ist die Freude an drastischen Darstellungen der christlichen Künstler und ihrer Auftraggeber am Foltertod Christi am Kreuz; eine voyeuristische Veranschaulichung einer ausgesprochen sadistischen Freude am Quälen und Leiden, ein Kennzeichen der patriarchalen Nekrophilie.
Nicht nur das matriarchale Kreuz, auch den durch und durch ›heidnischen‹ Lebensbaum haben die patriarchalen Kleriker für sich usurpiert. Bäume, Säulen, Pfähle und Kreuze repräsentierten als ›Teile vom Ganzen‹ die Göttin. Carola Meier-Seethaler schreibt: »Zur Symbolik der Säule wäre zu sagen, dass sie in allen vorpatriarchalen Kulturen die Göttin als das tragende Prinzip des Kosmos repräsentiert. Dies wird schon an jungsteinzeitlichen Idolen deutlich wird, deren Körper häufig als Säule gebildet ist, und wird vollends evident in Kreta und Mykene, wo die Säule als solche stellvertretend für die Göttin steht,« zum Beispiel »wo die Göttin in Gestalt der Säule über dem Löwentor thront. Verwandt mit dem Motiv der Säule ist das Motiv des Weltenbaums, das sich in allen frühen Hochkulturen mit der Göttin verbindet.« (Meier-Seethaler ›Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht. Ursprung und Wandel großer Symbole‹ 1993, S. 119) Diese Säulen werden regelmässig als ›Phallus‹ gedeutet, z.B. im Bild der wiedergebärenden Göttin von Kilisik oder in ›Phallic shape, female sex as Easter island Moai‹.

Das Isisblut Da-t – Symbol für das heilige Menstruationsblut

Wie Jutta Voss in ihrem Buch ›Das Schwarzmond-Tabu‹ nachweist, ist DA-t – mit der weiblichen T-Endung – die Silbe für das weibliche Blut. Das Isisblut-Amulett wurde den Toten als Vorbereitung auf die Wiedergeburt aus dem weiblichen Blut mitgegeben und war im allgemeinen aus rotem Jaspis, Karneol, roter Fayence oder rotem Glas. In Spruch 156 des Totenbuches, der über einem solchen Amulett gesprochen wird, heißt es:

›Das Blut und die Stärke, die Kraft und die Zaubermacht gehören Dir, ISIS‹

Isisblut-Symbol aus dem Totenbuch des Ani, um 1250 v.u.Zt. (British Museum, London)

Das Isisblut-Symbol als personifizierte Göttin Nut, Ende des Alten Reiches (Budge 1934, S.66

isisblutsymbol1Das ›Isisblut‹ ist das Symbol der Kraftfülle des Menstruationsblutes der Göttinisisblutsymbol2 (E.A. WallisBudge)

Budge wurde wegen seiner offenen Art, die Dinge beim Namen zu nennen, oft unter irgendeinem Vorwand verfemt (beispielsweise er hätte Antiquitäten außer Landes gebracht, als wäre das zu seiner Zeit nicht üblich gewesen). Im Gegensatz zu Budge haben Ägyptologen aber im allgemeinen Mühe mit den uralten weiblichen Symbolen, auch mit dem ›Isisblut‹ Da-t. Zu den seltsamen Interpretationen gehören: ›Schutz-Tampon der schwangeren Isis‹, ›Zipfel zwischen den Beinen der Schwangeren‹, ›Gürtelschleife am Gewand der Götter‹, ›Menstruationsbinde‹, ›Schutz-Tampon der schwangeren Isis‹ oder ›Gürtelschnalle der Isis‹.
Bemerkenswert ist, dass das Isisblut-Symbol in der 19. Dynastie (ca. 1300 – 1200) gelegentlich das Seth-Tier ersetzte und den Lautwert St = Set = Frau = Dame = Königin = Göttin, A-Set/I-Set = Isis hatte. Das nicht identifizierbare Symboltier der vermännlichten I-Set hat einen steil in die Luft stehenden Y-förmigen Pfeil-Schwanz, eine so genannte Forke, die zuweilen als Symbol für das weibliche Geschlechtsorgan angesehen wird (C. de Lys, zit. von Walker, 1993, S. 279).

In allen alten Kulturen galt Menstruationsblut als das Mysterium der Schöpfung, als ›die Essenz des Lebens‹ das nur den Frauen innewohnt und männlicher Erfahrung völlig fremd ist (s. Walker 1993, S. 698 – 709).

Das Symbol auf dem Kopfnuttöpfchen der Göttin ist das Nut-Töpfchen, der ›Blutkelch‹ der Menstruation.

Nut-Menstruations-Töpfchen, die ›roten Ocker‹ enthielten, wurden in Gräbern der 1. Dynastie Ägyptens gefunden (Briffault 1959, S. 248). Es ist das heilige magische Blut der Menstruation, welches die Frauen in die Töpfchen fließen ließen und es ist das Blut der Göttin, welches die Toten wieder erschaffen und ihre Wiedergeburt ermöglichte. Das Blut der Frauen besitzt die Kraft und Zaubermacht der Göttin für ›Leben und Wiedergeburt‹.
E. A. Wallis Budge sieht im Isisblut-Symbol ein Bild von Vulva, Vagina und Uterus und die symbolische Darstellung des Teiles der Göttin aus dem das Blut kommt, ihrer Nut, wie er es diskret ausdrückt (Budge 1934/1988, ›From Fetish zu God‹ S. 65 f). Das Amulett galt als mächtiger Schutz der Göttin, deren menstruelles Blut, ›jener göttliche Stoff des Lebens‹, aus ihrer heiligen Vulva strömt. Es »sollte dem Träger, ob er nun lebte oder bereits verstorben war, die Kraft des Isisblutes übertragen.« (Budge ibd.)
Wie wir bei der Höhlenforschung gesehen haben, zogen sich menstruierende und gebärende Frauen zeitweise in Menstruations-Höhlen oder -Hütten zurück; Orten der Kraft, der Ruhe und der Meditation. Das aufgefangene Menstruationsblut wurde mit Lehm vermischt, womit die Höhlenwände bedeckt wurden. Das geschah auch in den südfranzösischen Höhlen von Gargas, Cougnac und Blanchard, wo man allerdings von einer Mischung von Ocker und Lehm ausgeht. So wurden Höhlen buchstäblich zum ›blutroten‹ Uterus gewandelt. Auch die wunderschöne rote und schwarz geschmauchte sakrale Keramik, wie es auch das Nut-Töpfchen ist, und die weiblichen Statuetten wurden vermutlich aus dieser Mischung hergestellt.
»Ocker verwendeten nicht erst die Neandertaler – etwa bei Bestattungen in der Höhle La Chapelle-aux-Saints – sondern bereits der Homo erectus von Terra Amata vor 300’000 bis 400’000 Jahren, und auch der Homo erectus von Olduvai scheint sich für den Farbstoff interessiert zu haben.« (H.P. Duerr ›Sedna oder Die Liebe zum Leben‹ 1984, S. 288 f.) Es braucht schon eine ganz massive Abwehr, um hier NICHT die Verehrung des weiblichen Menstruationsblutes erkennen zu wollen.
Von australischen Wissenschaftlern wissen wir, dass bei den 20’000 – 30’000 Jahre alten Felszeichnungen der Aborigines Blut als rote Farbe verwendet wurde, das wegen seiner fortwährenden Verfügbarkeit und Menge nur Menstruationsblut gewesen sein kann.

Am Anfang der Menschwerdung war der Blutfluss (Jutta Voss)

Nefertari

In Ägypten sehen wir den roten Gürtel– in Anlehnung an die Form des fließenden Menstruationsblutes bei Nefertari, was auf die heiligen Tage der Königin hinweist. Es war also durchaus üblich, die Zeit der Menstruation zu feiern. Robert Briffault berichtet, dass die westafrikanischen Mandingo Frauen ihre Menstruation damit anzeigen, dass sie sich das Gesicht gelb bemalen oder einen leuchtend farbigen Schal tragen (Briffault ›The Mothers‹ 1959, S. 242) In Mali gibt es Frauen, die ihre Menstruation durch eine spezielle Frisur öffentlich machen, eine wiederum andere Frisur zeigt die Geburt eines Kindes an. Offenbar sind sie auf beides stolz!

Der weibliche Blutfluss in der Mythologie

»Der rote Faden leitet Ariadne auf dem Weg durch das Labyrinth des Uterus. Mit einem roten Seil weist sich Rahab als rettende Göttin und Vertreterin der matriarchalen Kultur aus (Josua 2,18-21). Die Mysten auf ihrer Prozession von Athen nach Eleusis binden sich einen purpurrotenFaden um den linken Fuß.Hera als Hebe (= Eva = Leben) reicht den Göttern den übernatürlichen roten Wein. Gemeint ist auch der Fluss der gefüllt war mit dem Blut, aus dem der nordische Gott Thor Erleuchtung und ewiges Leben erlangte. Es geht um den roten Met der keltischen Könige und um den roten Teppich, der bis heute ein Symbol der Macht darstellt und vor Königen ausgebreitet wird. Es geht um das rote Meer, zu dem Lilith floh, um allein zu leben, nachdem sie Adam verließ«. (Voss ›Das Schwarzmond-Tabu‹ 1988, S. 26 f.) Jutta Voss schreibt weiter: »Die Ursilbe DA und DAM der leiblichen Bluterfahrung der Frau umfasst das Offenbarwerden, Sichtbarwerden und das Erfahren des Heiligen. DA bedeutet das Blut, die sinnliche Wahrnehmung und spirituelle Erfahrung und deren Schöpfungspotenz. Daraus entwickeln sich in Mythen die Göttinnen Danae, Daphne, Danu, Diana, Delia, Dalila, Damgalnunna und ihre Sohngeliebten, die aus ihrem DA-Blut kommen wie Daniel, Damuzi, Damokles.« (Voss 1988, S. 28)
Unvoreingenommene Forscherinnen und Forscher machen immer wieder auf die verteufelte und verdrängte Kraft des Menstruationsblutes aufmerksam. Rufus Camphausen erzählt in seinem bemerkenswerten Buch ›Yoni‹, dass im indischen Kerala noch heute eine monatliche Zeremonie stattfindet, bei der ein mittels Menstruationsblut gefärbtes Tuch um die Statue der Göttin gewunden wird, das dann zu einer begehrten heiligen Reliquie wird (Camphausen 1999, S. 91).
Bei den indischen Tantrikern, heißt die menstruierende Göttin ›Die Rote‹ oder ›Dakini‹. Philip Rawson schreibt in seinem Buch ›Tantra, der in­dische Kult der Ekstase‹: »Der kraftvollste sexuelle Ritus des Nachvoll­zuges der Einheit verlangt die Vereinigung mit dem weiblichen Partner während der Menstruation, da dann die ›rote‹ sexuelle Energie auf dem Höhepunkt ist […] Nach Kenneth Grants Untersuchung über sexuelle Magie ist die ›rote Substanz aus weiblicher Quelle das primäre Menstruum der magi­schen Energie‹.«. (zit. von Shuttle/Redgrove ›Die weise Wunde Menstruation‹ 1980, S. 206 f.)
›Die Substanz stammt von der Hure, der scharlachroten Frau‹, die zu­gleich die Göttin Kali ist. C.D. Daly schrieb in einem faszinie­renden Artikel zum Menstruationskult der schwarzen Göttin Kali, dass ihr zerstörerischer Aspekt ihre große evolu­tionäre Kraft sei, mehr noch aber aus der Furcht der Männer resultiere. Aleister Crowley sagt in ›The Scarlet Woman‹ (Die scharlachrote Frau): ›…das beste Blut kommt monatlich vom Mond‹. Es sei in den Huren, den ›süß duftenden Frauen‹, den Su-vasinis des Tempels. Während der Periode sei der ›Kelch‹ oder ›Becher‹ der Frau mit einer besonderen Energie, dem ›Kalas‹ gefüllt, die sich durch den Beischlaf zu einer seherischen oder magischen Kraft verwandeln könne. (Shuttle/Redgrove 1980, S. 141 f.) Und vergessen sei auch nicht, dass in Ägypten die vermännlichte und verteufelte Göttin I-Set/Isis, Seth, ›der Rote‹ genannt wurde, was seinen ursprünglich weiblichen, menstruierenden Aspekt verrät. ›Er‹ wurde von den patriarchalen Priestern wegen seiner ›Unheil stiftenden‹ roten Farbe als ›Gott des Chaos und des Verderbens‹ bezeichnet. (Die Bezeichnung für die Farbe ROT und Menstruationsblut ist im Ägyptischen identisch).
Patriarchale Männer ekeln sich vor dem Menstruationsblut der Frau, aber nicht vor den Strömen von Blut ermordeter Menschen. Wenn wir uns fra­gen, warum das Menstruations­blut in patriarchaler Zeit verteufelt wurde, finden wir hier die Antwort. Weil »das menstruelle Tabu […] eine der erfolgreichsten Methoden zur Unterminierung der Selbst­bejahung und des Selbstver­trauens der Frauen« war (Shuttle/Redgrove 1980, S. 93).
»Das elementarste Symbol matriar­chaler Energie ist das leuchtende Rot. Rot signali­siert Wärme und strömende Lebenskraft. Rot ist das Blut, der Saft des pulsierenden Lebens. Rot bedeutet Lebensenergie. Rot ist die Kultfarbe der orientalischen Göttin­nen. Ihre Priesterinnen tragen Purpurgewänder. [Von nicht-menstruierenden Männern, den Kardinälen, usurpiert!] MA-triarchale Ener-GIE, ›MA-GIE‹ ist Wachstumsenergie für die Erde, für Menschen, Pflanzen und Tiere. Mit ihrem Blut verströmt die Frau erneuernde Lebenskraft bei jeder Geburt […] Ebenso wie das Ge­burtsblut galt dem matriarchalen Bewusstsein das Menstruationsblut als heilig. Die ›Göttin Anat vergoss ihr Menstruations­blut eimer­weise‹, wie der phönizische Mythos er­zählt. Der ursprünglichen Auf­fassung nach gab die Göttin ihr Blut zum Segen des Landes.
Nichts hat die männliche Psyche zu allen Zeiten der­art irritiert, verunsichert und gleichzeitig fasziniert wie die magische Kraft des Frauenblutes. Die menstruierende Frau ist für den Mann das Unbegreifliche, das so völlig unverständlich Andere. Jedes Tabu geht auf Menstruati­onstabus zurück, mit denen sich ursprünglich die Frauen von den Männern abgegrenzt haben. Das positive Blut­-Tabu, das die kultische Abgeschiedenheit der Frauen gebot, wird durch patriarchale Definitionsmacht negativ be­setzt […] Dämo­nisch, ungeheuerlich und blutfordernd stellt die patriarchale Männerpsyche die ihrer Macht be­raubte Göttin vor seine Seele: eine Spukgestalt des männlichen Unbewussten, von welcher der Mann fürchtet, dass sie sein Leben wolle, Männeropfer fordere, ihn verschlinge und auffresse.« (Weiler 1991 ›Der enteignete Mythos‹ S. 72 – 76)

 

Quelle: http://www.doriswolf.com

Gruß an die Weiblichkeit

TA KI

3 Kommentare zu “Symbole schreiben Urgeschichte 1 von 2

  1. Wunderbarer Artikel – jetzt bekommen die T-Steine für mich Sinn. Und ich erfasse mit dem ersten Blick auf das Wort „Tabu“ was hier verborgen (bu) wird (Ta).

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