Bürger bekämpfen Einbrecher mit Privat-Wachdienst


Der Südwesten verzeichnet 32 Prozent mehr Einbrüche als im Vorjahr. In Tiefenbronn nehmen verängstigte Bürger ihre Sicherheit selbst in die Hand und schicken einen privaten Wachdienst auf Patrouille.

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Natürlich ist Tiefenbronn nicht Bonn. Der ehemalige Regierungssitz am Rhein hat sich jüngst den unrühmlichen Titel „Einbruchshauptstadt Deutschlands“ eingebrockt: Nirgendwo waren 2013 mehr Einbrecher unterwegs als in Bonn, die Quote lag bei 564 Fällen pro 100.000 Einwohner. Im badischen Tiefenbronn dagegen, 4500 Bürger klein und fernab der kriminellen Hochburgen dieser Republik gelegen, waren Wohnungseinbruchsdelikte eigentlich nie ein großes Thema. Zumindest nicht bis zum April dieses Jahres. Da nämlich kletterte die Einbruchszahl auf 13. Und die entnervten Tiefenbronner nahmen die Sache selbst in die Hand.

Seither gibt es einen privaten Wachdienst, Motto: „Tiefenbronner Bürger wehren sich“. Die CDU im Südwesten sieht in der Aktion aber noch viel mehr als eine praktische Maßnahme: eine Bankrotterklärung der grün-roten Landesregierung nämlich.

Für Tiefenbronn, ein gepflegtes, wohlsituiertes Örtchen zwischen Pforzheim und Stuttgart, war die 13 eine echte Unglückszahl. So viele Einbrüche hatte es nicht einmal im gesamten Vorjahr gegeben. Die traditionsreiche „Ochsen-Post“ mitten im Zentrum, vom Guide Michelin als „kulinarische Perle“ gerühmt, hatte es im März binnen zwei Wochen sogar zwei Mal getroffen, Schaden: 30.000 Euro. Gastwirt Theo Jost war es, der beschloss, nicht auf ein drittes Mal zu warten. Ein mit Jost befreundeter Sicherheitsexperte, ein früherer Polizist, läuft nun jede Nacht mit Taschenlampe, Funkgerät und Diensthund Gina seine Runden.

Seither hat es keinen Einbruch mehr gegeben, zumindest keinen erfolgreichen; einen Dieb konnte Wachmann Jürgen Kappler noch von einem Tresor verjagen. Seitdem schlafen die Tiefenbronner ungestört. „Bei uns ist nichts mehr. In den Orten außen rum wird weiter geklaut“, sagt Jost. Bei der nächsten Gemeinderatssitzung im September soll abgestimmt werden, ob sich die Kommune an den Kosten beteiligt, noch zahlt Jost alles allein.

50 Euro gegen die Unsicherheit

„Wenn die Gemeinde sich weigert, dann ziehen wir das eben so durch“, sagt der 64-Jährige. An die 60 Interessenten, die 40 bis 50 Euro jeden Monat für einen privaten Wachdienst zahlen würden, hat er bereits zusammen. Das sagt einiges über das Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung, das in Tiefenbronn herrschen muss.

Die Initiative machte Restaurantbesitzer Jost bundesweit zu einer kleinen Berühmtheit – und bescherte der CDU schon jetzt ein heißes Thema für die Landtagswahl 2016. Während Jost Anfragen aus ganz Deutschland bekommt, ob sich der Aufwand für die private Einbrecherabwehr lohne und wie sie am besten organisiert werden solle, zeigt CDU-Landeschef Thomas Strobl mit dem Finger auf die grün-rote Landesregierung. Deren Polizeireform sei handwerklich derart misslungen, dass die Polizei nun offenkundig weniger schlagkräftig sei als zuvor.

„Grün-Rot hat die Polizei mit einem gigantischen Selbstbeschäftigungsprogramm gelähmt. Stattdessen sollten die Beamten endlich wieder tun können, wozu sie da sind: Straftaten aufklären und verhindern.“

Die Polizeireform war im Januar in Kraft getreten. Bis dahin gab es 37 Polizeipräsidien, in fast jedem der 35 Land- und neun Stadtkreise von Baden-Württemberg also ein eigenes. Mittlerweile werden die 24.200 Polizisten im Land von zwölf regionalen Polizeipräsidien aus geführt.

„CDU hat Stellen bei der Polizei abgebaut“

Das SPD-geführte Innenministerium weist den Vorwurf zurück, wegen dieser gewaltigen Reorganisation weniger Beamten als früher auf die Straße zu bringen. Die Einbrüche in Tiefenbronn auf die Polizeireform zurückzuführen, nennt Innenminister Reinhold Gall (SPD) „hanebüchen“.

Außerdem, ergänzt sein Sprecher, sei es schließlich die CDU selbst gewesen, die noch als Regierungspartei drastisch Stellen abgebaut und Polizeiposten geschlossen habe, ohne die dadurch nötige Verwaltungsreform anzugehen. Und vergleichsweise kommt der Südwesten sowieso gut weg: Im Ranking der bundesweiten Einbruchsquoten gebe es nur vier Bundesländer, die noch sicherer seien.

Aber auch Gall (SPD) kann nicht wegdiskutieren, dass die Zahlen im Land zuletzt bedenklich zugenommen haben. Mit einem Plus von über 32 Prozent liegt der Südwesten bundesweit mit weitem Abstand an der Spitze. Vor allem entlang der Rheingraben-Autobahn Richtung Schweiz sowie am Bodensee schlagen Einbrecher immer öfter zu, während zugleich die Aufklärungsquoten ständig sinken.

32 Prozent mehr Anzeigen wegen Einbrüchen

Während in Deutschland 3,7 Prozent mehr Einbrüche angezeigt wurden, waren es in Baden-Württemberg über 32 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Pforzheim meldete sogar über 80 Prozent mehr.

„Das müsste doch Chefsache sein“, kritisiert CDU-Chef Strobl. Aber weder lasse Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwas von sich hören, noch interessiere sich der Innenminister besonders für das Thema. „Die Landesregierung duckt sich vor der Debatte weg. Stattdessen beschäftigt sich der Innenminister mit Namensschildern“, monierte der CDU-Chef mit Verweis auf die zwischen SPD und Grünen umstrittene Frage, ob Polizisten im Land künftig eine Kennzeichnung tragen müssen.

Allerdings glaubt nicht einmal Gastwirt Theo Jost aus Tiefenbronn daran, dass die jüngste Polizeireform an der Misere Schuld hat. Für ihn liegt es an der Organisation der örtlichen Polizeistation. „Da sitzen fünf Beamte von morgens um acht bis mittags um halb vier auf einem Haufen, und dann wird der Laden dicht gemacht, genau wie am Wochenende. Kein Wunder, wenn sich so kein Dieb abhalten lässt.“

wohnungseinbrüche

Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article131435243/Buerger-bekaempfen-Einbrecher-mit-Privat-Wachdienst.html

Gruß an die, die sich zu wehren wissen

TA KI

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