Wenn Wolfgang Schäuble Partei ergreifen soll, muss es um das Objekt seiner Unterstützung schlecht bestellt sein. Es hat Hilfe nötig, sonst sähe sich der Bundesfinanzminister nicht gezwungen, ordnend einzugreifen. Bei der Deutschen Bank war das Anfang Februar der Fall. Nach einem tiefen Absturz des Aktienkurses sah sich Schäuble zu der Aussage veranlasst, er mache sich „keine Sorgen“ um Deutschlands größtes Bankhaus. Seitdem hat er geschwiegen, wenn es um die Deutsche Bank ging.
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Mal sehen, wie lange noch. Am Anfang voriger Woche ging es mit der Aktie des Instituts steil bergab. Am Montag ging die Bank mit 13,16 Euro aus dem Handel – dem Tief in diesem Jahr. Es hatte neue schlechte Nachrichten gegeben: Sechs ehemalige Mitarbeiter des Geldhauses wurden wegen Steuerbetrugs beim Handel mit Kohlendioxid-Rechten verurteilt. Der Haupttäter muss sogar für drei Jahre hinter Gitter.
Außerdem meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Bank ihre Rückstellungen wegen Geldwäsche-Vorwürfen in Russland kräftig aufgestockt hat. Noch immer hat die Bank ihre Vergangenheit juristisch nicht bewältigt. Und das ist nur eines der vielen schweren Probleme in den Frankfurter Zwillingstürmen. Die Bank ist multimorbide.
Die Deutsche Bank, vor ein paar Jahren noch letzte Überlebende hochtrabender Hoffnungen auf einen der vorderen Plätze im internationalen Finanzgeschäft, steckt nicht nur in einem Formtief. Investoren sehen nicht mehr, wie die Bank zu ihren internationalen Konkurrenten aufschließen will. „In fast allen Bereichen läuft es bei der Deutschen Bank schlechter als bei der Konkurrenz“, sagt ein Großanleger. Für die Champions League, also die Riege globaler Großbanken, „reicht es nicht mehr. Selbst im europäischen Umfeld wird es angesichts der vielen Baustellen schwer.“
Das Privatkundengeschäft
Seit vielen Jahren lassen Deutschlands Banken von einem Marktforschungsinstitut die Zahlen der Erstbankkunden erheben. Alle Banken haben strenge Geheimhaltung vereinbart. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ allerdings hat sich der Marktanteil der Deutschen Bank in diesem Bereich zuletzt verringert, auf etwas unter acht Prozent. Das ist etwas weniger, als die Konkurrenz der Commerzbank für sich verbuchen kann.
Foto: dpa Deutsche Bank-Vorstandschef John Cryan
Die Bank selbst will das nicht kommentieren. Nur bei der Postbank sieht es etwas besser aus, aber die will Vorstandschef John Cryan ja verkaufen. Aus ihrer starken Stellung auf dem Heimatmarkt hat die Bank wenig gemacht. Internationalen Konkurrenten gelingt das besser.
Auch außerhalb Deutschlands tut sich die Bank in diesem Bereich offensichtlich schwer. In dieser Woche erst beerdigte Cryan die Pläne für den Aufbau einer Digitalbank, vorgelegt von Ex-Vorstand Henry Ritchotte. Exzellent seien die Pläne schon, aber derzeit gebe es Wichtigeres, hieß es in der Bank. Von zu hoher Komplexität ist die Rede. Vermutlich auch von zu hohen Kosten. Denn die Bank hat jede Menge anderer ungelöster und vor allem teurer Probleme noch vor sich.
Die IT-Systeme
„Zuerst hatten wir kein Glück, dann kaum auch noch Pech dazu“, sagte einst der Bundesliga-Spieler Jürgen Wegmann. Spätestens seit Ende der Vorwoche kennt auch das Management der Deutschen Bank das Gefühl, wenn alles sich gegen einen verschworen zu haben scheint. Der Freitagmorgen des 3. Juni war so ein schwarzer Tag für die Bank, mehr aber noch für ihre Privatkunden.
Auf fast drei Millionen Konten des Hauses standen vom Vortag Doppelbuchungen von zum Teil erheblichem Ausmaß. Miete, Krankenversicherung, Steuervorauszahlen: Alles, was Anfang des Monats fällig war, wurde bei vielen doppelt abgebucht. Für 60.000 Kunden hieß das vorübergehend „Game over“: Die Automaten spuckten kein Bargeld mehr aus, an der Kasse des Supermarktes ließ sich mit EC-Karte nicht mehr bezahlen. Und die Deutsche Bank verniedlichte das Ganze auch noch als „Darstellungsproblem“.
Plötzlich wurde für alle Kunden sichtbar, was es heißt, wenn eine Bank-IT entweder strukturell veraltet ist oder die Mitarbeiter mit den komplexen Systemen überfordert sind. Die Bank brauchte einen ganzen Tag, um das Problem zu beheben. Das Management sah sich gezwungen, die Filialen länger offen zu halten, was für eine deutsche Großbank angesichts der starken Gewerkschaft gar nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Was war passiert? Angeblich wurde ein Fehler in der Software eines der Systeme auch noch falsch korrigiert. Die Folgen sah das ganze Land.
Die Prozesskosten
Anwälte haben Hochkonjunktur – zumindest bei der Deutschen Bank. Die größte Bank des Landes ist derzeit in 7800 Prozesse weltweit verwickelt. Bei den meisten Klagen ist der Streitwert zwar eher gering. Bei manchen aber eben auch nicht. Es gibt fast keinen Finanzskandal, in den das Haus nicht verwickelt zu sein scheint. Fast fünfeinhalb Milliarden Euro hat die Bank deshalb vorsichtshalber zurückgelegt. „Nur, reicht das?“, fragt ein Profi-Investor.
Die Bank hofft das. Nur weiß sie auch, dass sie noch mehrere wichtige und vor allem große Verfahren vor sich hat. In den USA ermittelt die Börsenaufsicht SEC gegen die Deutsche Bank, ob das Kreditinstitut im Geschäft mit sogenannten Mortgage Backed Securities – mit Hypotheken besicherten Wertpapieren – Schindluder getrieben hat. Die Strafe könnte hoch ausfallen. Die Bank selbst hofft auf ein Ende des Verfahrens noch in diesem Jahr. Das Gute in den USA: Durch vergleichbare Fälle hat das Management in Frankfurt zumindest ein Gefühl dafür, wohin die Reise gehen könnte. Beim Problemfall Square ist das komplett anders.
Erste Anzeichen für Probleme gab es schon Anfang 2014. Auffällige Transaktionen in Moskau sorgten für Fragen. Hinweise aber wurden ignoriert. Erst Anfang 2015 reagierte die Deutsche Bank mit einer internen Untersuchung. Es wurde ein Muster entdeckt, das auf Geldwäsche über Konten der Bank schließen ließ. Russische Kunden kauften zum Beispiel in Moskau für Rubel Aktien und verkauften sie in London für Hartwährung wieder. Zwischen 2010 und 2014 könnten bis zu zehn Milliarden Dollar auf diesem Weg gewaschen worden sein. Zu den Profiteuren zählen möglicherweise auch Getreue von Präsident Wladimir Putin. Nun ermitteln die US-Finanzaufseher, ob die Bank gegen die bestehenden Sanktionen gegen Russland verstoßen hat. Was teuer werden kann.
Die Fusionsberatung
Manchmal reicht eine einzige Fehlentscheidung, um eine ganze Sparte schlecht aussehen zu lassen. Erst recht gilt das, wenn es sich dabei um das prestigeträchtige Geschäft mit Übernahmen und Fusionen geht.
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Mit Argusaugen verfolgen die internationalen Wettbewerber, was sich im Markt so tut. Was wird da gelästert, wenn die Konkurrenz nach hinten abrutscht. In Frankfurt ist die Deutsche Bank deshalb gerade Stadtgespräch. Anstatt Bayer beim Übernahmeangebot für Monsanto zu beraten, setzten die Investmentbanker in den Zwillingstürmen dem Vernehmen nach auf eine Beraterrolle beim Konkurrenten BASF. Damit entgeht der Bank ihr Anteil an der rund 62 Milliarden Dollar schweren Bayer-Monsanto-Finanzierung, sollte die zustande kommen. Die Konkurrenz von Goldman Sachs, HSBC, Credit Suisse und anderen reibt sich die Hände.
Die größte deutsche Bank rutscht dadurch im Geschäft mit Fusionen in ihrem Heimatmarkt 2016 auf Platz sechs, wie die Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg ergeben. Doch selbst wenn man Bayers Übernahmeversuch rausrechnet, sieht das Bild für die Deutsche Bank in dem Geschäft mit Übernahmefinanzierungen nicht rosig aus: Nach zwei Jahren als Spitzenreiter in diesem Geschäft rutscht die Bank auf Platz vier ab. Da hilft selbst die Beteiligung an anderen aufsehenerregenden Transaktionen nur wenig.
Der Devisenhandel
In den Jahren 2005 bis 2013 war die Deutsche Bank gemessen am Marktanteil der größte Devisenhändler der Welt.
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Die Zeiten sind vorbei. Das Haus rangiert mit einem Marktanteil von acht Prozent nur noch auf Platz vier. Die Entwicklung ist auch Teil einer strategischen Entscheidung, den Umfang bestimmter Geschäfte zu reduzieren.
Die Strategie
„Globaler Anspruch und Realität passen bei der Deutschen Bank nicht mehr zusammen“, meint der Vertreter eines großen Investors. Denn selbst wenn die Bank all ihre Baustellen in den kommenden zwei bis drei Jahren in den Griff bekäme, fehle die Antwort auf die Frage: „Was kommt danach?“ Wie wolle die Bank wachsen und wieder zur Weltspitze aufschließen? Zumal die Strategie für die Anleger in vielen Punkten kaum nachvollziehbar ist. „Warum will sie mit der Postbank ein eigentlich starkes Retailgeschäft auf dem Heimatmarkt verkaufen, wenn sie in vielen anderen Bereichen nicht vorn dabei ist?“ Warum schneidet sie im Kapitalmarktgeschäft nicht stärker weg? Fragen über Fragen: „Uns fehlen die Antworten.“ Schon in den vergangenen Jahren hätten die früheren Vorstandschefs sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner den Eindruck vermitteln wollen, die Bank sei auf einem guten Weg. „Es fällt schwer nach all den Jahren, weiterhin daran zu glauben“, heißt es.
Das Kapital
„Noch immer zu viele Probleme“, schreibt die Bank Berenberg in ihrer Analyse der Deutschen Bank von Mitte Mai. Eine Folge: Das Geldhaus könnte eine Kapitalerhöhung brauchen. Schon in den vergangenen Wochen wollte Vorstandschef Cryan Kapitalmaßnahmen nicht ausschließen. Die Frage ist nur: Wer will der Deutschen Bank frisches Geld geben, wenn sie es den Aktionären so schlecht verzinst?
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Mutige Anleger können ja mal einen Blick auf die Kursentwicklung der einst so selbstgewissen Bank wagen. An der Börse kostet sie inzwischen weniger als die Danske Bank. Als wer? Ja, die dänische Danske Bank. Auch die Analysten der Ratingagentur Moody’s sind daher skeptisch: Ende Mai stuften sie das Rating zum zweiten Mal in diesem Jahr herab. Vom „Ramsch“-Status ist die Bank nur noch zwei Stufen entfernt. Moody’s erkennt zwar an, dass Cryan seine Vorhaben diszipliniert abarbeite. Nur ist das Marktumfeld auch schwieriger geworden. Wo also sollen die Gewinne herkommen?
Das Image
So richtig beliebt war die Deutsche Bank in der breiten Öffentlichkeit nie, dafür aber wurde sie weithin für ihren Erfolg geachtet. Und der frühere Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann wollte sie mit einem „transformational deal“ sogar zurück in die Top Ten der Bankenliga bringen.
Die Zeiten haben sich geändert, was sich nicht nur am Markt-, sondern auch am Markenwert der Bank ablesen lässt. Im globalen „brandZ“-Top-100-Markenranking lag sie 2008 noch auf Platz 42. Im jüngsten, in der zurückliegenden Woche veröffentlichten Ranking taucht sie nicht mehr auf.
Wie in keinem Jahr seit 2009.
Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/article156242996/Deutsche-Bank-hat-Platz-in-Champions-League-verloren.html
Gruß an die, die Wahrheit erahnen
TA KI